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Buchbesprechung – Walter und ich

Christian Geistdörfer war der kongeniale Partner von Walter Röhrl im Rallyesport und beide konnten gemeinsam zweimal die Weltmeisterschaft feiern. Dazu gelang dem Duo das Kunststück die Rallye Monte Carlo viermal zu gewinnen auf Fahrzeugen von vier unterschiedlichen Herstellern. Bis heute sind die beide das erfolgreichsten deutsche Duo im Rallyesport. Christian Geistdörfer hat seine Erinnerungen nun in ein Buch gepackt, welches vor kurzem im Delius Klasing Verlag veröffentlicht hat.

Das Buch kommt im klassischen, kompakten Format daher und zeigt zu Beginn gleich ein paar tolle Bilder aus dem Archiv von Ferdi Kräling. Viele der im Buch verwendeten Bilder stammen von von Kräling und stellen mehr als nur Begleitmaterial dar. Sie bieten vielmehr einen Blick auf die entsprechenden Ereignisse und runden so die Texte sehr gut ab. Das Vorwort stimmt dann auf das Buch ein und verspricht einen Blick auf einige vermutlich kaum bekannte Anekdoten. Nach einigen weiteren Bildern folgt das Inhaltsverzeichnis, welches einen Überblick über die 28 Kapitel gibt. Eine stattliche Anzahl, die dafür sorgt das die Kapitel nicht zu lang werden und das Lesen des Buches auch in kleinen Etappen problemlos ermöglicht. Als erstes wagt das Buch einen Abstecher in das Jahr 1980 und schildert die Erlebnisse rund um den ersten Sieg Geistdörfers gemeinsam mit Walter Röhrl bei der Rallye Monte Carlo. Im zweiten Kapitel erläutert Geistdörfer dann wie er zum Rallyesport kam und blickt auch auf seine Jugend zurück. Als solide Grundlage machte er zunächst eine Banklehre und nachdem sich die Situation in der Bank nicht wie gewünscht entwickelte strebte er ein Studium an. Im Jahr 1972 hatte er dann den ersten Kontakt zum Rallyesport und war schnell begeistert. Gemeinsam mit seinen Freunden gründete er sogar einen Motorsportclub. Seinen ersten Erfahrungen fanden nicht nur neben dem Lenkrad statt, sondern auch hinter den Volant.

Relativ schnell stellte sich aber für Geistdörfer heraus das seine Fähigkeiten eher auf dem Beifahrerplatz lagen und so schuf er nach und nach seine eigene Möglichkeit ein Gebetbuch zu erstellen. So nennen die Beifahrer in der Rallye-Szene ihren Aufschrieb in dem die Fahrtstrecke aufgezeichnet ist, um entsprechende Ansagen dem Fahrer zukommen zu lassen. Gerade die Zeit mit Achim Warnhold in einem Toyota nutzte er um seinen Aufschrieb immer mehr zu verbessern. Der erfahrene Warnhold kannte zahlreichen Tricks und Abkürzungen und so konnte Geistdörfer seine Technik stetig verbessern. Seine erste Rallye gemeinsam mit Walter Röhrl sollte schließlich die Rallye San Martin di Castrozza im Jahr 1977 werden. Hier reisten die beiden in einem Opel Kadett GT/E an. Aufgrund der nicht vorhandenen Ersatzreifen und -felgen war ein erfolgreicher Einsatz mit dem Kadett aber nicht möglich und so nahmen sie nicht an der Rallye teil, zumindest nicht in einem Opel. In Rahmen einer Einladung des FIAT-Teams nahmen Geistdörfer und Röhrl an einem Abendessen teil. Hier trafen sie auf Daniele Audetto, den Sportlichen Leiter von Fiat. In Gesprächen stellte Geistdörfer die Absage der Rallye dar und Audetto bot beiden sofort einen Fiat 131 Abarth zur Rallye an. So kam es nun doch zur ersten gemeinsamen Rallye und diese konnte beide auf einen erstaunlichen 4. Platz beenden. Daniele Audetto bot noch während der Rallye ein weiteres Engagement für die Rallye in Kanada an. Nachdem beide sich intensiv Gedanken dazu gemacht haben und obwohl bei in Verträgen mit Opel bzw. Toyota standen ergriffen sie die Chance die sich ihnen bot. Fiat schien mit dem an den Tag gelegten Engagement die Zukunft zu gehören. In Kanada schieden beide mit einem Motorschaden aus, konnten aber ihr Können nachhaltig unter Beweis stellen, da sie Stammfahrer Markku Alén bis zum Ausfall im Griff hatten. Immer wieder lässt sich in den umfangreichen Texten die ein oder andere kleine Anekdote entdecken. Dies sorgt für einen lockeren Lesefluss und die tollen Bilder zeigen immer wieder auch die geschilderten Ereignisse. Schade das manche Abbildungen dann doch sehr klein platziert wurden.

Es finden sich aber immer wieder auch doppelseitige Fotos im Buch, die sowohl die Autos in Aktion zeigen, als auch die beiden Hauptfiguren Walter Röhrl und Christian Gesitdörfer. Auch andere Beteiligten tauchten immer wieder im Bild auf. Durch die erfreulichen Ergebnisse in Kanada arrangierte FIAT Walter Röhrl auch für die Rallye San Remo, Geistdörfer hingegen sagte aus Termingründen ab. Er wollte sich nun seinem anstehenden Studium kümmern. Die Einsätze in Italien und Kanada wurden von FIAT zwar gut bezahlt, aber er sah den Sport weiterhin eher als Spaß denn als Beruf. Die Rallye San Remo fuhr Röhrl dann mit Willi-Peter Pilz auf dem Beifahrersitz. Die Rallye endete mit einem Ausfall bedingt durch technischen Versagen der Bremse und Röhrl klagte schon während der Rallye über die schlechte Atmosphäre im Cockpit. Er wollte mit Geistdörfer weitermachen. So kam es im Anschluss der Rallye San Remo doch dazu, das sowohl Röhrl als auch Geistdörfer einen Vertrag bei FIAT unterschrieben, der beide im nächsten Jahr an das Team aus Italien band. Im Buch erläutert Geistdörfer dann sogar die Beichte bei seinen Eltern. Ihnen musste er nun schließlich beibringen das er nun Rallyeprofi wird und das Studium nun doch nicht antreten wird. Hierbei geht er auch noch kurz auf seine Erlebnisse in der Kindheit ein.
Im Jahr 1977 nahm Geistdörfer dann aber noch einmal gemeinsam mit Achim Warnhold an der Rallye Senegal teil. Sie fuhren einen Citroën CX und für die Franzosen wurde die Rallye zum vollen Erfolg. So belegten Warnhold und Geistdörfer den zweiten Platz und alle Plätze von eins bis fünf waren von Citroën eingenommen worden. Solche einmaligen Teilnahmen für unterschiedliche Hersteller war damals üblich und sind in der heutigen Zeit kaum noch nachvollziehbar.

Kurz nach der Senegal-Rallye stand das Training zur Rallye Monte Carlo statt, welches die erste Rallye im Jahr 1978 war die Röhrl und Geistdörfer im Rahmen des neuen Vertrages für FIAT fuhren. Diese beendeten beide auf Platz 4 und waren gleichfalls bestplatziertes FIAT-Team. Aufgrund eines Drehers von Markenkollege Maurizio Verini verloren sie auf einer Etappe etwa fünf Minuten da die Straße blockiert war. Die Rallye Portugal mussten beide dann vorzeitig beenden da die Kupplung schlapp gemacht hatte. Die dritte Rallye sollte hingegen den ersten Sieg einbringen es war die Akropolis-Rallye 1978. Bei der Sanremo Rallye fielen beide wieder vorzeitig aus und die RAC beendeten sie auf Platz 6. Gerade die RAC war immer eine besondere Herausforderung für den Beifahrer. Der Streckenverlauf war nicht wie bei anderen Rallyes offiziell bekannt und durfte auch nicht vorher abgefahren werden. So fand die Navigation größtenteils auf Sicht statt und oftmals konnte lokale Rallyefahrer die Rallye für sich entscheiden. Im Rahmen der englischen Meisterschaften wurden die Strecken schon öfters befahren. Den größten Erfolg mit FIAT fuhren Röhrl und Geistdörfer aber im Jahr 1980 ein. Hier konnte sie vier Rallyes gewinnen und hatte keinen Ausfall zu verzeichnen. Am Ende der Saison konnte beide schließlich die Rallye-Weltmeisterschaft feiern.

Mercedes-Benz plante mit dem neuen Modell 190 ebenfalls in die Rallye-Weltmeisterschaft einzusteigen und konnte Röhrl und Geistdörfer dafür verpflichten. Der Fünfjahresvertrag sah vor das 1981 und 1982 noch mit dem SLC gefahren werden würde ehe dann der komplett neue 190er die Szene betreten sollte. Das Angebot klang sehr gut und so verpflichteten sich beide bei den Stuttgartern. Allerdings wurde der langfristige angelegte Vertrag schnell nichtig. Nachdem bei Tests zur Rallye Monte Carlo der SLC bei einem Unfall zerstört wurde, kam es bei anschließenden Rücktransport nach Stuttgart zu einem folgenschweren Fehler. Der Fahrer des LKW hatte die Pläne die vor neugiergen Blicken schützen sollte nicht ausreichend befestigt und so konnte der zerstörte Mercedes beim Transport gefilmt werden. Schon kurze Zeit später wurde diese Aufnahmen im Fernsehen präsentiert einhergehend mit der Frage warum ein Weltunternehmen wie Mercedes denn auf öffentlichen Straßen testen musste. Eine schlechte Presse, die man bei Mercedes gar nicht gern sah und so wurde das ambitionierte Projekt erstaunlich schnell abgebrochen. An einem Einsatz im Rallyesport war nun nicht mehr zu denken. Röhrl und Geistdörfer standen als amtierende Weltmeister nun ohne Auto da! Im Rahmen der deutschen Rallyemeisterschaft nahm man nun mit einem Porsche 924 GTS an den Rennen teil und einen lauf zur Rallye-Weltmeisterschaft konnte man mit einem Porsche 911 SC antreten. Hier fielen beiden aber aus.
Das Buch zeigt im weiteren Verlauf noch die folgenden, nicht minder interessanten Schritte in der Rallye-Weltmiesterschaft von Röhrl und Geistdörfer nach und beschriebt sehr anschaulich die weiteren Ereignisse. Im Jahr 1982 fuhren beide im Opel Ascona 400 und wurden erneut Weltmeister. Dann folgte im Jahr 1983 die Vize-Weltmeisterschaft in einem Lancia Rallye 037, ehe man sich bis zum Schluss der aktiven, gemeinsamen Karriere an Audi band. Hier erlebten beide die wilde Zeit der Gruppe B, in der die Rallyewagen immer extremer wurden und die Geschwindigkeiten ständig stiegen. Die dazu nicht vorhandene Zuschauersicherheit sorgte schließlich für das Ende dieser Gruppe und Röhrl und Geistdörfer traten später noch im Audi 200 quattro an, der nur Taxi genannt wurde.
Zum Schluß blickt das Buch noch in die Gebetbücher und zeigt weitere interessante Schriftstücken, ehe die WM-Ergebnisse zusammengefasst werden und einige Bilder das Buch endgültig abschließen.

Fazit: Ein sehr persönlicher und mit vielen Anekdoten gespickter Rückblick auf eine vielfältige Karriere im Rallyesport. Mit diesem Buch erhält der Leser einen sehr nahen Einblick in die Ereignisse rund um die bis heute einzigen Rallye-Weltmeister aus Deutschland. Die Texte dazu sind ausnahmslos sehr lesenswert und die verwendeten Bilder liefern einen tollen Rahmen. Das die Zeit ganz andere Voraussetzungen hatte, wird immer wieder deutlich. Auch stellt Geistdörfer viele Hintergrundinformationen vor und stellt die wichtigsten Personen aus dem Rahmen seiner Karriere vor. Fraglich ist höchstens warum der Titel mit „Walter und ich“ doch sehr Röhrl-lastig ausgefallen ist. Schließlich handelt es sich beim Buch um die Aufzeichnungen von Christian Geistdörfer, die nicht immer nur Walter Röhrl im Fokus haben.
Der Preis von 39,90€ ist als günstig zu bezeichnen, wenn man den gebotenen Inhalt betrachtet. Für Rallye-Fans eine absolute Pflichtlektüre.

Bibliografie:
Titel: Walter und ich – Röhrl und Geistdörfer – Das Dreamteam des Rallyesports
Autor: Christian Geistdörfer
Umfang: 228 Seiten, 108 Farbfotos, 18 Schwarz-Weiß-Fotos
Format: 239 x 274 mm
Bindung: gebunden mit Schutzumschlag
Auflage: 1. Auflage 2016
Preis: 39,90 €
ISBN-Nr.: 978-3-667-10696-4
Bestellbar beim Verlag unter: www.delius-klasing.de

Text: Marco Rassfeld
Fotos: Delius Klasing, Marco Rassfeld