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Buchbesprechung – Automobile Design Graphics

Im TASCHEN Verlag ist vor kurzem ein Buch erschienen welches auf die Geschichte der Werbung für das Automobil zurückblickt. Dabei zeichnet es den Zeitraum von 1900 bis 1973 nach und zeigt teilweise sehr aufwendig gestaltetes Verkaufsmaterial mit Fokus auf die amerikanische Automobil-Industrie.

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Verantwortlich für den ungewöhnlichen Titel ist Jim Heimann, unter anderen Grafikdesign-Experte und Executive Editor bei TASCHEN in Los Angeles. Er verfügt über eine große Sammlung an diversen Kuriositäten und hat schon viele Bücher zu unterschiedlichen Themen veröffentlicht. Sehr viele Abbildungen im Buch stammen folgerichtig aus seiner Sammlungen und bilden so die Basis zum Buch. Das Buch ist für eine internationale Ausrichtung dreisprachig ausgeführt und bietet englischen, französischen und deutschen Text. Der erste Eindruck des Buches zeigt ein großes und schweres Buch im klassischen Hardcovereinband. Der Titel zeigt schon deutlich die grafische Ausrichtung des Inhalts.

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Nach dem Inhaltsverzeichnis analysieren zunächst zwei Artikel von Jim Donnelly und Steven Heller die Kunst der Werbung für Automobile. Schließlich verkauft man ein nicht gerade sauberes Gut. Vor allem in den Anfangsjahren wurden Automobile sehr skeptisch betrachtet. Die Werbung lenkte also schnell ab und stellt vielmehr die mit einem Automobile möglichen Vorteile geschickt heraus. Selbstverständlich war das Automobil zunächst ein Luxusartikel und für viele Menschen kaum erreichbar. Dies änderte sich aber relativ schnell und die breite Masse konnte erreicht werden. Selbst in den Zeiten des zweiten Weltkriegs machten die Hersteller in den USA Werbung für ihr Unternehmen. Durch die Zwangsproduktion von Rüstungsgütern konnten zwar keine Automobile angeboten werden, aber man verwies in Rahmen des Patriotismus auf die große Aufgabe in Europa. Zugleich blickte man voraus in eine glorreiche Zukunft in der neue Modelle auf die Käufer warten würden. Immer wieder werden die Texte von Abbildungen unterstützt und bilden somit einen ansprechenden Rahmen.

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Die Präsentation der umfangreichen Sammlung von durch und durch interessanten Prospekten erfolgt in vier Zeitabschnitten. Im ersten sind die Anfangsjahre von 1900 bis 1929 abgebildet. Nach Hersteller sortiert wird der Leser heute viele unbekannte Marken entdecken und kann die äußerst seltenen Prospekte begutachten. Zu jeder Marke bietet das Buch auch kleine Texte mit begleitenden Informationen an. In der Zeit vor der selbsttragenden Karosserie kann man auch Hersteller entdecken bei denen lediglich das Chassis präsentiert wird.  Die Faszination der gebotenen Kunst tut dies aber natürlich kein Abbruch und die nahezu perfekte Wiedergabe der Prospekte zeugt von einem sehr hohen Qualitätsanspruch bei der Reproduktion. Es zeigen sich dabei schon längst vergessene Marken von Alco, Erskine, Knox und Paige um nur einige zu nennen. Aber auch die ersten Schritte von Cadillac, Dodge, Ford und Lincoln in der Automobilindustrie lassen sich nachvollziehen.

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Der zweite Zeitabschnitt bildet dann die Jahre von 1930 bis 1946 ab und zeigt erste moderne Karosserien, die sich langsam von den ersten kutschenartigen Konstruktionen deutlich entfernen. Gerade in Amerika folgte auch die Umstellung auf jährlich wechselnde Designs um den Kaufanreiz mehr und mehr zu erhöhen. Zu jedem Modelljahr wurde ein neuer attraktiver Anreiz geschaffen und die Werbung stellte die positiven Aspekte natürlich heraus. Die Markenvielfalt ist schon deutlich eingeschränkter und zudem fanden sich einige Marken unter einer großen zusammen. Mehr und mehr formten sich in den USA die „Big Three“ Chrysler, Ford und General Motors die über zunächst scheinbar eigenständige Marken verschiedene Käuferschichten bedienten.

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In die Zeit von 1947 bis 1961 zeigte die amerikanische Automobilindustrie nach dem Ende des zweiten Weltkrieges seine Muskeln. Mit großem Selbstvertrauen schufen die Designer Automobile die bis heute unvergessen sind. Dabei stand oftmals das sehr beliebte Thema Raumfahrt Pate und den Wagen wuchsen sprichwörtlich Flügel. Die Heckflossen wurden von immer größer und zugleich tauchen aber auch die ersten europäischen und asiatischen Marken auf. Das Borgward Isabella Coupé war gegenüber den stattlichen amerikanischen Automobile zwar klein, aber konnte auch mit schicken Design auf sich aufmerksam machen. Die Vorstellung der einheimischen Marken ist aber weiterhin deutlich überlegen und den einzelnen Marken wird nun auch mehr Raum eingeräumt, so dass der Leser die Entwicklung sehr gut nachvollziehen kann.

Das letzte Kapitel wirft schließlich noch einem Blick auf die Zeit von 1962 bis 1973. Das Automobil war längst etabliert und die Zeit der Modellvielfalt war schon angebrochen. Die Hersteller fanden immer mehr Nischen die besetzt werden mussten und natürlich wurde dem potentiellen Käufer jedes Modell in den Prospekten schmackhaft gemacht. So kamen die Muscle Cars auf und mischten den Markt auf. Die kleineren Pony Cars folgten nur wenig später und wurden auch sehr schnell salonfähig. Neben den bekannten amerikanische Marken taucht auch Duesenberg wieder auf. Ein Modell mit sehr prägnantem Design von Virgil Exner sollte die Marke wiederbeleben aber leider wurde nur ein Prototyp hergestellt. Auch europäische Marken finden sich wieder und unter anderem wird „The Thing“ vorgestellt. So nannten die Amerikaner den VW 181.

Fazit: Ein sehr ansprechender Bildband mit einem Rückblick auf über 70 Jahre Automobilwerbung. Zwar ist ein Großteil der Marken aus den USA aber gerade hier konnte durch den fehlenden direkten Einfluss der Weltkriege die Design-Entwicklung relativ nahtlos erfolgen. Der Anspruch wuchs ständig und die Ausrichtung der Werbung war sehr vielschichtig und entwickelte ebenso sich stetig weiter. Die Begleittexte bieten einige wertvolle Informationen, aber leider wurden bei der deutschen Übersetzung die Leistungsdaten falsch umgerechnet. Dies ist zumindest für die autoaffinen Leser leicht verstörend.
Die technische Umsetzung ist sehr gelungen. Druck und Bindung lassen einen hohen Qualitätsanspruch erkennen und auch die Reproduktion der alten Vorlagen wurden perfekt umgesetzt.
Zum Preis von 39,99€ bietet das Buch gleich Stoff für zwei Zielgruppen. So werden die Automobilliebhaber das Buch ebenso mögen wie die Grafikdesignverliebten. Somit zeigt es eine Symbiose aus zwei Welten und vereint beide Lager in einem tollen Buch zu einem fairen Preis.

Bibliografie:
Titel: Automobile Design Graphics
Herausgeber: Jim Heimann
Autoren: Steven Heller, Jim Donnelly
Umfang: 368 Seiten
Format: 250 x 317 mm
Bindung: Hardcover
Auflage: August 2016
Preis: 39,99 €
ISBN-Nr.: 978-3-8228-5371-9
Bestellbar beim Verlag unter: www.taschen.com

Text: Marco Rassfeld
Fotos: „Buick, 1946“ Courtesy of the Jim Heimann Collection/TASCHEN, Marco Rassfeld