The Ultimate Sportscar as Cultural Icon, so der Untertitel zum aktuell erschienen Buch zum Porsche 911. Damit macht das Buch sofort seinen Anspruch deutlich, es zeigt den legendären Sportwagen vor allem aus der kulturellen Sicht. Mit Spannung kann man sich so auf ungewöhnliche Lektüre zum Elfer freuen.
Das Buch ist recht kompakt, aber verfügt noch über eine ausreichende Größe um auch dem verwendeten Bildmaterial seinen würdigen Platz zu geben. Dazu überrascht es mit einer tollen hapitschen Erfahrung in dem der Einband in der Art von Leinen daher kommt. Zudem ist der auf dem Titel abgebildete Ur-Elfer schon ein echter Hingucker. Das Buch startet dann mit dem Vorspiel in dem sich der Autor auf der Couch eines Psychoanalytikers wiederfindet und von der Liebe zum Porsche 911 berichtet. Die entsprechende Reaktion ist ein Vorgeschmack auf ein textliches Feuerwerk, in dem Autor Ulf Poschardt den Reiz des Elfers auf besondere Art und Weise nachgeht. Dazu zeigt das Buch hier schon erste großflächige, historische Abbildungen mit dem Objekt der Begierde, aber auch Familie Porsche lässt sich entdecken.
Es folgt die Vorgeschichte zur Firma Porsche und wie Porsche zu Porsche wurde. Auch hier finden sich tolle Bilder wieder, die aber zumeist alle aus dem Archiv von Porsche stammen und fleißigen Leser sicher nicht unbekannt erscheinen. Sie bilden aber einen passenden Rahmen um die Entwicklung der Firma in der Anfangszeit nachzuvollziehen. Deutlich wird auch herausgearbeitet, das in den Anfangszeiten die Porsche-Fahrer eine sehr beschränkte Gruppe von Menschen waren, die einen besonderen Hintergrund hatten. Zudem wird eindrucksvoll geschildert wie der Elfer entstand und auch die Formgebung wird dabei thematisiert. Diese ist natürlich immens wichtig, da auch seine begehrenswerte Karosserie zum Erfolg betrug und immer noch beiträgt.
Dann folgt der Blick auf die erste Generation, den Ur-Elfer. Das Buch bezeichnet diese sehr treffend als Referenz, schließlich wird bis heute auch immer wieder das Ur-Modell referenziert und zeigt selbst Porsche-intern immer wieder deutlich Spuren in der aktuellen Modellpalette. So denke man nur an die neuste Targa-Generation oder auch den 911 R. Die Geschichte startet dann mit der Präsentation des 901 auf der IAA im Jahr 1963. Dort zeigte Porsche ein hellgelbes Exemplar welches viele Betrachter sofort in den Bann zog, allerdings fanden auch andere interessanten Premiere in Frankfurt statt. Nach den ersten Erläuterungen zum Modell, in dem natürlich auch die Namensänderung erläutert wird, folgen einige tolle, doppelseitige Abbildungen, die den Zeitgeist ebenso wiedergeben wie die reine Schönheit des Elfer. Der Porsche 911 konnte aber auch Film und so werden die beiden cineatischen Meisterwerke „Le Départ“ und „Le Mans“ keinesfalls verschwiegen. Auch das sich die schweren Jungs dem offensichtlichen Reiz des neuen Porsche nicht entziehen konnten zeigt das Buch auf. So klaute Alexander Baader von der RAF den 911 S Targa von Fotograf Rainer Schlegelmilch. Eine weitere spannende und interessante Episode.
Die zweite Generation war das sogenannte G-Model und der Reifungsprozess begann. Vor allem die breitere Karosserie, die der 911 SC ab 1978 anbot war ein deutlicher Unterschied zum Ur-Elfer. „Der Elfer erhielt seinen goldenen Schnitt.“, fasst der Autor passend zusammen. Und dann kam mit dieser Generation schließlich auch das Topmodell in Form des 911 Turbo. Dieser bot beeindruckende Fahrleistungen und konnte es mit jedem Sportwagen auf der Welt aufnehmen. Ein weiterer, wichtiger Schritt zu hohem Ansehen. Weiterhin wird die Position des Bösen auch mit dem Elfer verbunden, so z.B. in dem Stück von Heinrich Böll „Die verlorene Ehre von Katharina Blum“. Und dann ist mit dem G-Modell unmittelbar auch die Hochphase des Heckspoilers verbunden. Bei Ur-Modell gab es nur den Entenbürzel beim RS, während mit dem Turbo der große Flügel kam. Dieser wurde vor allem durch die Rennsportmodelle 934 und 935 immer massiver. Das auch Helden den Elfer fuhren wird ebenso dargelegt wie die echte Nahtoderfahrung die durch seinen legtimen Nachfolger, dem Porsche 928, ausging. Mit dem 924 und auch dem 914 waren weitere Modelle im Portfolio von Porsche, die bis dahin immer nur die Ein-Modell-Politik verfolgten. Der 911 war sichtlich gealtert, wurde kaum noch gepflegt und stand auf dem Abstellgleis.
Doch wie aus dem Nichts tauchte der frisch renovierte 964 auf. Um irgendwie noch Anschluss zu halten wurde der 911 modernisiert und konnte so mit den aktuellen Modellen, die vor allem durch die Japaner eine echte Gefahr für Porsche darstellten, mithalten. Zum ersten Mal bot Porsche auch einen Allradantrieb an und schickte den Carrera 4 ins Rennen um die Gunst der Käufer. Mit optischen Retuschen, die aber die klassische Linie des Ur-Modells noch nicht nachhaltig zerstören sollten, gelang auch eine deutlich bessere Aerodynamik. Dazu begann Porsche die Modelle des 911 wieder zu differenzieren und bot viele Möglichkeiten einen Elfer zu fahren. Herausragend ist beim 964 sicher das 30 Jahre 911-Sondermodell mit breiter Karosserie des Turbo und einigen tollen Details. Der Elfer wurde sogar durch seine nun wieder vollständig auf dem Stand der Technik befindlichen Ausstattung zum Erfolg in den USA. Hier waren Features wie Servolenkung, Airbag und ABS wichtige Verkaufsargumente. Aber es begann auch die Zeit, in der die Dichte der Elfer im Straßenverkehr der Top-Städte immer höher wurde und man den Eindruck gewinnen konnte, das nun fast Jeder einen Elfer fährt.
Der Plan von Porsche mit dem 964 die nächsten 25 Jahre gesichert zu haben, stellte sich aber sehr schnell als falsch heraus. Durch einen hohen Kostendruck, der sich mit der intensiven Produktion des Sportlers nicht gerade verstand, musste ein Nachfolger her. Der 993 wurde geboren und sollte der letzte Elfer mit luftgekühltem Motor bleiben. Er musste durch eine nochmals neue und diesmal deutlich andere Form zu Beginn einiges an Kritik gefallen lassen, hätte man damals nur vom Nachfolger gewusst …
Der 996 war schließlich eine Revolution in der Historie des Porsche 911 und bot neben nun eben wassergekühlten Motoren auch ein fast schon erschreckend anderes Äußeres. Porsche war sich dessen augenscheinlich bewusst und sprach das Thema gleich offen an. Durch eine hohe Gleich-Teile-Politk mit dem kleinen Boxster war die Unterscheidung der Modelle nicht für jeden sofort möglich.
Der Nachfolger 997 nutzte dann schon wieder einige direkte Designzitate des klassischen Elfer und war die Neuinterpretation eines Klassikers. Durch geschicktes Modellieren des 996 gelang Porsche ein endlich wieder aus runden Augen blickender Sportwagen, der auch durch eine deutlich maskulinere Form an den Tag legte und so unweigerlich sportlich wirkte.
Der 991 ist die neuste Generation und ist inzwischen schon bei der 991 II angelangt. Hier spielt Porsche nicht mehr mit unterschiedlichen Modellnummern, sondern lässt den Käufer gleich spüren, das es sich beim neuen Modell lediglich um ein Facelift handelt. Mehr denn je ist der Elfer in unterschiedlichsten Varianten zu haben und die Zahl scheint stetig weiter zu wachsen.
Fazit: Ein textlich herausragend geschriebenes Buch, das durch viele Episoden ermöglicht den Porsche 911 mal anders zu erleben. Ein echte Liebeserklärung an ein Automobil, bei dem auch die schlechten Zeiten nicht ausgeblendet werden. Dazu schmückt sich das Buch mit einigen tollen Bildern, die aber zumeist schon bekannt sein dürften. Sie liefern trotzdem einen passenden und würdigen Rahmen und betten den Text so gekonnt ein.
Für Fans des Porsche 911 ein absolutes Muss, in dem die Geschichte mal anders erzählt wird als in vielen, teilweise recht drögen technischen Abhandlungen. Die Texte können absolut begeistern und lassen das Buch mit großer Sicherheit für immer im Gedächtnis verharren. Selten hat ein Buch über ein Auto so viel Spaß beim Lesen bereitet. Für dazu noch günstige 35 Euro gilt es einfach zuzuschlagen. Die Texte sind allerdings nur in englischer Sprache vorhanden, ein deutsches Buch ist schon länger erhältlich, verzichtet allerdings auf die Bebilderung und kommt somit noch reiner daher, aber eben auch unspektakulärer.
Bibliografie:
Titel: Porsche 911 – The Ultimate Sportscar as Cultural Icon
Autor: Ulf Poschardt
Umfang: 240 Seiten
Format: 210 x 260 mm
Bindung: gebunden
Sprache: Englisch
Auflage: 01/2017
Preis: 35,00 €
ISBN-Nr.: 978-3-89955-687-2
Bestellbar beim Verlag unter: shop.gestalten.com
Text: Marco Rassfeld
Fotos: Copyright Gestalten 2017
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