Eine Insel und ihre Liebe zu Autos, so der vielsagende Untertitel zu einem neuen Buch aus dem Verlagshaus GeraNova Bruckmann. Bekanntermaßen sind auf Kuba eine große Masse an klassischen, amerikanischen Automobile unterwegs. Bedingt durch das lange Handelsembargo durch die USA kamen seit Ende der 50er Jahre kaum noch Neuwagen auf die Insel in der Karibik und die Menschen arrangierten sich auf ihre Weise mit den Fahrzeugen, die sie hatten. Dabei war ein uns andere Mal auch eine große Portion Improvisation gefragt und die Wagen am Laufen zu halten.
Das Buch kommt im klassischen Format daher und zeigt auf dem Titel ein gelungenes Foto eines klassischen, amerikanischen Fahrzeugs, welches scheinbar beliebig am Straßenrand parkt. Solche Modelle werden in den USA im Orginalzustand schon recht hoch gehandelt und würden sich im alltäglichen Straßenbild kaum wiederfinden. Der Schutzumschlag ist matt ausgeführt und hat dazu noch ein besonderes Feature parat. Die in der Regel nicht bedruckten Innenseiten zeigen ein großformatiges Poster mit einem weitere, typischen Kuba-Klassiker. Tolle Idee! Beim Aufschlagen vom Buch merkt mal dann auch schnell, dass sich der Titel mit einem ungewöhnlichen Layout präsentiert. So zeigen sich sehr farbenfrohe Hintergründe kombiniert mit einer ungewöhnlich Schrift für die Headlines. Auch einige Bilder präsentieren sich zu Beginn gleich vollformatig und zeigen einen ersten Blick auf die einmalige, automobile Vielfalt von Kuba. Nach den Danksagungen folgt das Inhaltsverzeichnis, welches einen ersten Überblick über den Inhalt gewährt. Dann folgt ein kurzes Vorwort von Sir Stirling Moss, der bei allen drei jemals auf Kuba ausgetragenen Grand Prix teilnahm. Die dann folgende Einleitung von Tom Cotter klärt über die Hintergründe zur Entstehung des Buches auf und verdeutlicht auch schon, dass Kuba sich durch die Aufhebung des Embargo vermutlich sehr schnell verändern wird und somit auch einen Teil seines einmaligen Charmes vermutlich verlieren wird. Das Buch verwendet beim kompletten Inhalt ungewöhnliches Naturpapier, welches mit einen tollen Haptik punkten kann und dazu dem Buch auch einen gewissen Charme verleiht.
Das erste Kapitel heißt den Leser dann Willkommen auf Kuba. Stellen Sie ihre Uhr 50 Jahre zurück. Dabei erläutern die Autoren sogar die Anreise aus den USA mit dem Flugzeug. Von Miami nach Havanna ist eine Entfernung von nur 200 Meilen zurückzulegen, die täglich durch die Havanna Air Fluggesellschaft realisiert wird. Nur durch eine spezielle Einreiseerlaubnis konnten alle Teilnehmer der Reise diese überhaupt antreten, schließlich wollte man Recherche zur Automobil-Szene auf Kuba betreiben. Die Gäste aus den USA werden entgegen den vielen Touristen am einem recht altertümlich wirkenden Terminal empfangen und so beginnt schon hier scheinbar eine Zeitreise in die 50er Jahre.
Fidel Castro war maßgeblich verantwortlich für den Sturz des kubanischen Diktators Fulgencio Batista im Jahr 1959 und in der Folge folgte das Handelsembargo von den USA. Im zweiten Kapitel blickt das Buch dann auf die Autos und Castros Revolution und blickt zurück in die automobile Vergangenheiten von Castro und Guevara. Dann werden auch die schnelle Schließung der zahlreichen Vertretungen diverser US-amerkanischer Hersteller auf Kuba beschrieben. Im gesamten Buch finden sich immer wieder beeindruckende Aufnahmen der kubanischen Automobil-Szene wieder. Ein ums andere Mal stehen aber auch weitere Eindrücke im Fokus.
Viele farbenprächtige Yankee-Panzer bilden auch heute noch das Straßenbild von Kuba und zwischen vermutlich etwa 60.000 US-amerikanschen Fahrzeugen, die vor 1960 gebaut wurden finden sich nur wenig modernere Lada, , Skoda, Wolga oder Wartburg. Aus China sind vor allem neue Geely vertreten und ab und an lässt sich auch ein Mercedes oder Audi entdecken. Der Zustand dieser scheinbar begehrenswerten Klassiker ist nach US-amerikanschen Standards aber eher auf dem Niveau der Note 4 oder gar 5. Denn beim genaueren Betrachten lassen sich die vielen Spuren der Zeit doch oft deutlich entdecken. Die Autos standen aber auch nicht in einer Sammlung, sondern wurden zumeist immer bewegt. Da auch die Ersatzteilbeschafung schnell unmöglich wurde, verfügen viele Fahrzeuge über Teile aus nicht passenden Fahrzeuge, die entsprechend angepasst wurden. Hauptsache der Wagen konnte weiterhin bewegt werden.
Der Mythos von der Romatik ist damit schnell wie weggeblasen, denn auch ohne das bestehende Verbot die Fahrzeuge zu exportieren würden sie wohl kaum ein ertragreiches Geschäft bieten. Die Kubaner fahren die Fahrzeuge nicht weil sie gerne einen Klassiker bewegen, sondern weil es einfach keine Alternativen zu den Automobilen gab. „Die Kubaner haben diese alten Scheiß-Autos … satt …“ bringt es der Übersetzer Abe schlicht und einfach auf den Punkt. Das allen Kubaner gleichermaßen zugewiesen Geld, welches von der Regierung kommt, reicht einfach nicht aus um große Schritte zu machen. So nutzen viele die Möglichkeit durch ihre alten Fahrzeuge noch etwas Geld dazuzuverdienen, denn vor allem die Touristen sind oft magisch von den Klassikern angezogen und können sich von diesen über die Insel kutschieren lassen.
Dabei haben die Autos auf Kuba: Eine hundertjährige Geschichte, denn schon seit Beginn des 20.Jahrhunderts waren Automobile ein wichtiger Bestandteil der karibischen Insel. 1898 wurde das erste Auto registriert, ein Parisienne aus Frankreich. Die Straßen waren eigentlich noch nicht vorhanden und so waren die noch fraglichen ersten Autos auf Kuba großen Strapazen ausgesetzt. So war es äußerst schwierig Käufer für die ersten Fahrzeuge zu finden, aber nach und nach kamen mehr Autos nach Kuba, die von unterschiedlichsten Herstellern wie Rochet-Schneider oder Locomobile stammten. Zunächst waren französische Automarken die von den Kubaner bevorzugten, aber schon wenig später waren die Autos aus den nahen USA die prägenden Modelle. So kamen schon im Jahr 1922 von 5.177 importieren Fahrzeuge stolze 4.722 aus den USA. Die Verkaufszahlen stiegen immerwährend an und so war Kuba ein wichtiger und ertragreicher Exportmarkt der Hersteller.
So schien es auch nur eine Frage der Zeit zu sein bis Internationale Autorennen auf Kuba stattfanden. Schon 1903 fand das erste Rennen mit fünf Fahrzeugen statt. Nachdem Stockcar- sowie Midget-Rennen die Insel begeisterten entwickelte sich die Szene nach dem Ende des zweiten Weltkriegs rasant weiter. 1957 fand dann sogar der erste von drei Grand Prix auf der Insel statt und die komplette Weltelite stand am Start mit diversen Maserati und Ferrari sowie einem Jaguar. Der Sieger war am Ende niemand geringeres als Juan Manuel Fangio auf einem Maserati 300S. Im folgenden Jahr fand das Rennen erneut statt und in die Geschichte ging die Entführung von Fango ein. Hierdurch wurde seine Teilnahme am Rennen erfolgreich verhindert. Die Bewegung des 26. Juli wollte hiermit seinen Widerstand gegen das bestehende Regime ausdrücken und sorgte für weltweite Aufregung. Stirling Moss sollte das Rennen im Jahr 1958 ebenso gewinnen wie den letzten Grand Prix zwei Jahre später. Das Buch zeigt hierzu zahlreiche, historische Aufnahmen und blickt zum Schluss des Kapitels auch auf die heutige Motorsport-Szene auf Kuba.
Das folgende und nunmehr schon siebte Kapitel blickt dann auf die Klassiker, die übrig blieben. Denn neben den vielen US-amerikanischen Straßenkreuzern finden sich auch einige durchaus Interessante Klassiker auf der Insel. In den 50er Jahren galt Kuba sogar als größter Cadillac-Markt der Welt, denn in keinem anderen Land wurden mehr der US-amerikanischen Edelkarosse pro Kopf verkauft wie in Kuba. Heute dienen Cadillac sogar als Basis für Kunstobjekte und Esterio Segura verwandelte ein Exemplar in eine U-Boot-Skulptur. Der Künstler besitzt auch eine der seltenen Corvette auf der Insel, die allerdings nicht mehr gänzlich original ist. Weitere interessante Modelle zeigt das Buch mit einem Austin-Healey, Porsche und Mercedes-Modellen sowie einem weltweit seltenen Chrysler Ghia. Auch ein BMW 507 war mal auf der Insel unterwegs.
Ein weiteres Problem der Mangelwirtschaft: Kubas Werkstätten. Schließlich waren die Ersatzteil-Situation seit dem Handelsembargo durchgehend angespannt und von einem umfassenden Zubehör-Geschäften für Automobile konnten die Kubaner nur träumen. Die ansässige Kette SASA betreibt zwar zwölf Filialen auf Kuba, aber das Angebot ist sehr überschaubar. Es gibt kein klassisches Sortiment, sondern vielmehr kann man die Teile kaufen, die gerade verfügbar sind. Dabei sind auch immer wieder Gebrauchtteile am Markt zu finden und auch dies förderte das Improvisationstalent der Kubaner. Viele der Automobile auf Kuba haben nicht mehr ihren Original-Motor verbaut und haben stattdessen oftmals ein Diesel-Aggregate von sowjetischen Landmaschinen unter der Haube. Diese sind zuverlässig und waren eben verfügbar. Viele Kubaner verliehen ihrem Fahrzeug dazu eine persönliche Note und bauten diese teilweise extrem um, so dass einige kaum wiederzuerkennen sind.
Als Kubas Autos neu waren wurden einige Fahrzeuge sogar direkt auf Kuba montiert. Im sogenannten Little Detroit wurden Modelle vom General Motors-Konzern mithilfe einiger, kubanischer Teile wieder zusammengesetzt. In dieser Gegend von Havanna waren auch viele Autohäuser ansässig. Hier entstanden große Autohäuser die um die Gunst der kaufwilligen Kundschaft stritten. Einige Gebäude sind bis heute erhalten und haben inzwischen aber eine andere Bestimmung. Heute ist es aber wieder möglich Neuwagen auf Kuba zu kaufen, aber diese Möglichkeit können nur die wenigsten Kubaner nutzen, da die Fahrzeuge für 99% der Bevölkerung unerschwinglich sind.
Eine Reise durch das Kuba von heute traten schließlich auch die Autoren an und blicken im dazu passenden Kapitel auf die Besonderheiten des Verkehrs auf Kuba. So gelten wenig überraschend auch auf Kuba Geschwindigkeitsbegrenzungen die es zu beachten gilt, die Überwachung des Verkehrs übernehmen auch sogenannte Punte Controle Polizeiposten und um die wertvollen Automobile nicht zu verlieren können Parkplatzaufseher angestellt werden, welche die Autos bewachen. Eine interessanten Reisebericht liefert das Buch noch dazu.
Zwei Automuseen finden sich auch auf der Insel obwohl man hiermit wohl kaum rechnen kann. Das Depósito del Automóvil in Havanna hat einige Schätze zu bieten, aber entspricht sicher nicht den Erwartungen an ein klassisches Automuseum. Zu den 40 Fahrzeugen zählt auch der Chevrolet Bel Air, der von Che Guevara gefahren wurde. Absoluter Star der Sammlung ist aber ein Rolls-Royce Phantom von 1926 der mit einer Karosserie von Letournent et Merchant. Dazu findet sich auch ein Cadillac-Fahrgestell aus dem Jahr 1903, ein Nachbau des Sieg-Maserati von Fangio und ein kettenangetriebener Truck von Mack. Das Museo National del Transporte in Santiago befindet sich nur unter einem Unterstand und bietet auch das ein oder andere, interessante Exponat.
Es gibt kein zurück! – so der passende Titel zum abschließenden Kapitel des Buches. Hier wird nochmal deutlich das ein Reimport der Fahrzeuge in die USA einfach keinen Sinn macht, da der Zustand kaum den Erwartungen der hiesigen Kundschaft entspricht. Als die Autoren am 20. Juli 2015 die Insel wieder verließen eröffneten die USA ihre Botschaft nach langen Jahren wieder und die Zukunft wird vermutlich dazu führen, dass das automobile Erscheinungsbild sich erheblich verändern wird.
Dazu passen auch die letzten Gedanken der Autoren, die das Buch entgültig abschließen.
Fazit: Die romantische Vorstellung vieler Automobil-Fans wird in diesem Buch zwar gedämpft, denn schließlich schlummern hier keine Schätze auf Kuba, sondern schlicht und einfach alte Nutzfahrzeuge. Der Charme der Fahrzeuge ist aber dadurch gegeben das die Notwendigkeit dafür sorgte die Automobile zu erhalten. Hierzu liefert das Buch sicher erstaunliche Erkenntnisse und zeichnet sich nicht nur durch tolle, farbenfrohe Fotos aus. Diese sind aber wichtiger Bestandteil des Buches und können den Eindruck der Szene sehr gut wiedergeben. Das dazu passende Layout liefert eine stimmige Basis dazu und setzt sich hiermit, wie auch das verwendete Papier deutlich von den üblichen Büchern ab. Auch das umfangreiche Kapitel zum Motorsport ist sehr interessant und dazu mit historischen Aufnahmen gespickt. Im gesamten Buch gibt es viele interessanten Geschichten zu entdecken die für einen hohen Lesespaß sorgen.
Durch die Umsetzung auf Naturpapier ist das Buch auch in dieser Beziehung besonders und vollendet das durchaus ungewöhnliche Lese-Erlebnis auf tolle Art und Weise.
Zum Preis von 40 Euro kann der Leser eine Reise in die ungewöhnliche Automobil-Welt von Kuba erleben. Die Szene auf der Karibik-Insel ist durch die langjährige politische Lage weltweit einmalig und sorgt unweigerlich für gute Laune.
Bibliothek:
Titel: Cubas Car Culture
Autor: Tom Cotter
Umfang: 192 Seiten, ca. 200 Abbildungen
Format: 250 x 290 mm
Bindung: Hardcover mit Schutzumschlag
Auflage: 09/2017
Preis: 40,00 €
ISBN-Nr.: 978-3-95613-045-8
Bestellbar beim Verlag unter: www.verlagshaus24.de
Text: Marco Rassfeld
Fotos: Bill Warner, Marco Rassfeld
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