Die italienische Marke Lancia ist auf den deutschen Markt aktuell zwar nicht mehr vertreten, aber kann auf eine lange Historie zurückblicken. Dabei gab es einige besondere Modelle und mit dem Delta Integrale hatte Lancia schon früh einen sogenannten Hot Hatch im Programm. Er verband beeindruckende Leistung mit kompakten Ausmaßen und verfügte zudem über Allradantrieb. So ausgerüstet war er als Basis für den Rallyesport wie geschaffen. Ein neues Buch von Veloce Publishing blickt auf dieses Modell zurück.
Das Buch kommt in recht kleinen Format daher und weckt die Neugier mit dem Titelbild auf dem sowohl die Straßenversion sehr präsent zu sehen ist, aber auch zwei Rallyewagen zu entdecken sind. Mit den dazu noch zu entdeckenden berühmten blau-roten Streifen des langjährigen Hauptsponsors Martini kann die Aufmachung als sehr gelungen durchgehen. Auch auf der Rückseite lassen sich weitere Bilder von beiden Varianten wiederfinden und dazu ein passender kurzer Text. Beim ersten Aufschlagen kann der Leser zunächst im Vorsatz schon ein weiteres Bild mit vielen Deltas entdecken und schließlich folgt das Inhaltsverzeichnis, sowie die Einleitung und die Danksagungen. Hier erfährt der Leser, das der Autor die erste Edition dieses Buches schon 2003 veröffentlicht hat und die Grundlage zum Buch hat sich logischerweise nicht geändert. Als wichtige Quellen nennt Collins dann noch die beiden ehemaligen Lancia-Mitarbeiter Giorgio Pianta und Sergio Limeone, ohne die das Buch vermutlich nicht entstanden wäre. Es folgt noch vor dem eigentlichen Start des Buches das Vorwort aus der Feder von Giorgio Pianta, der maßgeblich an der Entwicklung des Delta zum Rallye-Seriensieger beteiligt war.
Dann folgt die Aufgliederung in zehn Kapitel und zu Beginn wirft das Buch einen Blick zurück auf den Stammbaum des Delta. Lancia wurde schon 1906 in Turin gegründet und schon vor dem Delta schufen die Italiener einige Meilensteine der Automobil-Entwicklung. So war der Lancia Lambda von 1923 das erste Auto mit selbsttragender Karosserie und hatte ein modernes Fahrwerk mit Einzelradaufhängung und hydraulischen Stoßdämpfern. Sowohl dieses Modell als auch der Augusta von 1933 und der Aprilia von 1937 waren weitere wichtige Lancia-Modelle und werden im Buch präsentiert. Es folgen noch der Aurelia und der legendäre Stratos mit dem Lancia auch schon in der Rallyewelt für viel Aufsehen sorgte. Mit diesem Wagen, welcher nach den Regeln der Gruppe 4 homologiert worden war, gelang Lancia der Sieg in der Rallye-Weltmeisterschaft 1974, 1975 sowie 1976. Dann wird der Blick aber schließlich auf den Delta gelenkt und auf die Entwicklung und den direkten Ahnen des neuen Kompaktwagens von Lancia. Damit betrat Lancia eine eigentlich unübliche Bühne, denn bis dato waren die Modelle allesamt in höheren Klassen angesiedelt. Als Geburtshelfer war die Übernahme von Fiat sicher wichtig, denn die Basis für den Delta war der Fiat Ritmo. Doch der Anspruch von Lancia war weiterhin sehr hoch und so wurde das Modell grundlegend überarbeitet bis der neue Lancia Delta auf der IAA im Jahr 1979 entgültig präsentiert wurde. Für das Design war Giorgio Giugiaro mit seiner Firma Italdesign verantwortlich, dessen Vita in einem Extra-Kasten vorgestellt wird. Die sportlichen Ansprüche wurden dann zuerst durch den Turbo 4×4 deutlich, der 1982 auf der Turiner Autoshow erstmalig präsentiert wurde. Dem erhöhten Gewicht durch den Allradantrieb begegnete man mit mehr Leistung und so standen nun 130 PS zur Verfügung. Dann folgt sogar noch der Blick auf die sportlichen Vorgänger des Delta und hier finden sich der Beta Montecarlo Turbo, der 037 und schließlich auch der Delta S4 wieder. Dieser war eine extreme Abart des Delta und trat in der kaum limitierten Gruppe B an, die damals für eine begeisternde Szene in der Rallye-Weltmeisterschaft sorgte. Dann wird sogar ein einmaligen Lancia Trevi mit zwei Motoren und Allradantrieb vorgestellt ehe der Blick auf die nächste Ausbaustufe des Delta fällt, dem HF4WD.
Mit diesem trat Lancia dann auch in der neuen Gruppe A an, die nach dem plötzlichen Ende der Gruppe B zum Ende der Saison 1986 diese als Spitzenklasse ablöste. Die neuen Regeln schränkten die Entwicklung der Rallye-Fahrzeuge deutlich ein und forderten eine deutlichere Annäherung an die Serienfahrzeuge. Passenderweise hatte Lancia den HF 4WD im Programm und sah die Chance diese Vorteile im Motorsport in Erfolge umzumünzen. Die Evolution des HF 4WD steht dann auch im Mittelpunkt des zweiten Kapitels und erläutert auch die Entstehung des ersten Rallye-Delta auf Serienbasis. Seine Rallye-Premiere hatte der neue Werkswagen dann bei der Rallye Portugal im März 1987. Zu jedem Einsatz findet sich ein entsprechender Text mit den Abläufen der Rallyes im Buch wieder und neben der Top-Klasse Gruppe A wird auch die extrem seriennahe Gruppe N berücksichtigt. Am Ende der Saison war der Delta schließlich der glorreiche Sieger beider Klassen in der Rallye-WM und Juha Kankkunen sicherte sich mit dem Delta HF 4WD zudem die Fahrer-Weltmeisterschaft.
Doch die Entwicklung war an dieser Stelle noch lange nicht am Ende angelangt und so verfolgt das dritte Kapitel die Entwicklung hin zum Integrale, der die Probleme des HF 4WD bestmöglich zu eliminieren versuchte. Zum ersten Mal nutzte Lancia hierbei die Möglichkeit den gewollten Rallye-Einsatz zu berücksichtigen. So war man in der Lage den Wagen nach den Ansprüchen des Rallyesports weiterzuentwickeln und dabei den Fokus weniger auf den Straßeneinsatz legen zu müssen. So wurde die Spur verbreitert und die Karosserie vor allem optimiert um mehr Luft zu den wichtigen Aggregaten zu leiten. Hier erfährt der Leser dann auch, was es mit dem schon bei Stratos verwendeten Kürzel HF auf sich hat. Mit 185 PS verfügte der Lancia Delta HF integrale über mehr Leistung und das Buch blickt wieder auf beide Spezies des Modells und stellt die Weiterentwicklungen in den Fokus. Beim Straßenmodell ist das Buch dann deutlich auf den Markt in Großbritannien fixiert und stellt auch Eindrücke der hiesigen Presse vor. Die ersten beiden Rallyes der Saison 1988 musste Lancia noch mit dem alten HF 4WD bestreiten, konnte aber sowohl in Monte Carlo als auch in Schweden die Überlegenheit nochmals ausspielen und Siege einfahren.
Abermals war Portugal die erste Bühne für das neue Modell und wieder gelang gleich ein Sieg sowohl In der Gruppe A als auch in der Gruppe N. Wieder eine beeindruckende Premiere, die unterstrich die Anstrengungen der italienischen Ingenieure. Mit dem Sierra RS Cosworth stand aber ein ebenfalls neuer Rivale am Start der Rallye Frankreich und konnte sowohl diese als auch die folgende Akropolis-Rallye jeweils vor zwei Delta Integrale beenden. Doch Lancia schlug erfolgreich zurück und konnte sich am Ende der Saison den zweiten Weltmeister-Titel und Folge sichern. Auch die nächste Saison trat Lancia wieder an und bis zur 1.000 Seen-Rallye in Finnland wurde weiterhin der HF Integrale eingesetzt. Auch hier werden alle Einsätze aufgeführt und auch die wenigen Einsätze im Rundstreckensport werden berücksichtigt. Schon im Mai 1989 stellt Lancia aber auch die nächste Ausbaustufe vor – den Lancia Delta integrale 16v. Wie schon am Namen unmerklich zu erkennen wurde die Anzahl der Ventile in diesem Fall verdoppelt und für die Straßenversion standen nun glatte 200 PS zur Verfügung.
Dieses neue Modell musste aber nach den Homologationsvorgabe erst in einer Auflage von 5.000 Exemplare hergestellt werden, ehe ein Einsatz in der Rallye-Weltmeisterschaft möglich war. Das nächste Kapitel stellt zunächst die Frage, ob die Verdoppelung der Ventile wirklich ausreichend ist um die immer stärker werdenden Konkurrenz in Schach zu halten. Nach einem weiteren Blick auf die Weiterentwicklung zum neuen Modell folgt dann die Betrachtung der Rallye-Einsätze. Auf der San Remo Rallye im Oktober konnte der 16v seine Möglichkeiten erneute unter Beweis stellen und sicherte sich beim ersten Einsatz, wie seine beiden Vorgänger, gleich den ersten Sieg. Damit sicherten sich die Italiener zum Jahresende erneut den Sieg in der Rallye-Weltmeisterschaft und stellten die drei aufeinanderfolgenden Titel des Stratos hiermit ein. Die komplette Saison 1990 bestritt man ebenfalls mit dem integrale 16v und konnte sich zur Überraschung einiger tatsächlich nochmals den Konstrukteurs-Titel sichern. Nun schon zum vierten Mal in Folge! Aber der Abstand auf die immer stärker aufkommende Konkurrenz aus Japan war deutlich geschrumpft. Die Fahrer-Weltmeisterschaft sicherte sich der Spanier Carlos Sainz auf Toyota. Aber auch das Jahr 1991 stand Lancia noch mit dem HF Integrale 16v durch und krönte sich schließlich zum fünften Mal zum Weltmeister und mit dem Routinier Juha Kankkunen stellte man in diesem Jahr auch erneut den Fahrer-Weltmeister. Das die Geschichte aber noch nicht zu Ende war, verdeutlichte die Vorstellung des neuen HF Integrale, der ab 1992 mit deutlichen Optimierungen am Start stehen sollte.
Das Modell wurde als HF Integrale Evolution bekannt und sorgte mit radikalen Änderungen für frischen Wind. Die Karosserie wurde an vielen Stellen überarbeitet und bot auch mehr Platz für größere Reifen. Erstmals war auch ein Spoiler am Heck zu finden, der den Abtrieb deutlich erhöhen sollte. Der klare Fokus lag abermals auf den Einsatz im Rallyesport und bis heute sind diese Modelle des Delta die Begehrtesten. Doch bei Lancia war der Erfolg mit dem Gewinn der fünften Weltmeisterschaft scheinbar plötzlich am Zenit angelangt und man verkündete den Rückzug des Werksteams aus der Rallye-WM. Der Einsatz übernahm schließlich das bekannte Jolly Club-Team und sämtlichen Material wurde von Lancia zur Verfügung gestellt. Selbst der langjährige Sponsor Martini Racing glaubte scheinbar an den Erfolg und verdoppelte zur besseren Unterstützung seine Werbegelder. Am Ende des Jahres 1992 gab der Erfolg den Beteiligten erneut Recht, denn zum sechsten Mal in Folge konnte Lancia die Rallye-Weltmeisterschaft der Konstrukteure gewinnen. Die Fahrerweltmeisterschaft ging aber erneut an Toyota und Carlos Sainz.
Damit war schien die Geschichte des Delta in der Rallye-WM zwar endgültig beendet, aber dann überraschte der Wechsel von Sainz zur Saison 1993 zum Jolly Club-Team, welches erneut den HF Integrale in der Rallye-WM einsetzte. Doch die Uhr schien nun wirklich abgelaufen zu sein, denn selbst der Spitzenfahrer aus Spanien konnte über die einsetzte Alterung des Konzepts nicht mehr hinwegtäuschen und am Ende stand nur der vierte Platz in der Weltmeisterschaft zu Buche. Für die Fans legte Lancia als Straßenversion dann aber nochmals ein letztes Modell auf, den Delta HF integrale Evoluzione 2. Auch dieses, letzte Modell der ersten Delta-Generation stellt das Buch selbstredend noch vor.
Das Buch ist hiermit aber keinesfalls am Ende und es folgt noch der Blick auf die zahlreichen Sondereditionen des Delta Integrale und auch auf die Concept-Fahrzeuge auf Basis des Integrale. Selbst das einmalige Cabrio, welches sich die Agnelli Familie exklusiv anfertigen ließ zeigt sich im Buch. Zum Abschluss bietet dann Buch noch einen Blick auf die wichtigen Punkte, die beim Kauf berücksichtigt werden sollten, einen Fotogalerie von klassischen Delta Integrale im klassischen Motorsport und einen Anhang mit diversen Statistiken.
Fazit: Das der Delta Integrale ein legendäres Automobil ist, steht sicher außer Frage und so hat er auch ein exklusives Buch verdient. Die zweite Edition von Peter Collins blickt zurück auf einen der erfolgreichsten Rallye-Rennwagen aller Zeiten und hat dabei sowohl die Entwicklungen der Straßen- als auch der Rallyeversionen stets im Fokus. Neben den kompetent geschriebenen Texten finden sich auch eine Vielzahl an Bildern im Buch wieder, die den Lancia in unterschiedlichsten Szenen zeigt. Dabei wird aber zumeist leider auf eine großformatige Abbildung verzichtet was sehr schade ist. Das Layout wirkt dazu noch ein wenig angestaubt und ist mit einem eigenartigen schwarzen Balken auf jeder Seite versehen. Inhaltlich ist das Buch aber sehr gut umgesetzt und wird die Interessierten sicher begeistern können. Das das Buch für den englischen markt gedacht ist, verdeutlicht die Berpcksichtigung der jeweiligen Markteinführungen und speziellen Details. Auch der Blick auf die Presse-Berichte erfolgt mit englischen Medieen.
Zur technisch soliden Umsetzung ist der Preis von 40 Euro gerade noch angebracht. Hier würde man sich sicher schon eine opulentere Aufmachung und Umsetzung wünschen. Den hartgesottenen Fans wird dies aber sicher vollkommen egal sein und sie können sich am tadellosen Inhalt erfreuen.
Bibliografie:
Titel: Lancia Delta Integrale
Autor: Peter Collins
Umfang: 160 Seiten, 170 Bilder
Format: 250 x 207 mm
Sprache: Englisch
Bindung: gebunden mit Schutzumschlag
Auflage: 11/2017
Preis: £35.00
ISBN-Nr.: 978-1-787110-76-2
Bestellbar beim Verlag unter: http://www.veloce.co.uk
Text: Marco Rassfeld
Fotos: Lancia, Marco Rassfeld
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