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Buch – Bertone

Italienische Auto-Ikonen – die Formen der Automobile waren lange Zeit das bevorzugte und anerkannte Fachgebiet von italienischen Karosserie-Bauern. Mit viel Fingerspitzengefühl entwickelten die Design-Studios ein hohe Zahl an heute noch hochangesehenen Automobilen, die zu oftmals zu automobilen Ikonen wurden. Delius Klasing brachte vor kurzem ein Buch über die Künste und Arbeiten von Bertone auf den Markt …

Der MIura als Titelbild – kaum ein Fahrzeug ist beeindruckender!

Das Buch zeigt sich im großen Querformat und nutzt schon den Titel zur Vorstellung eines Highlights aus der Firmengeschichte von Bertone. Der Miura von Lamborghini wurde von noch jungen Design Marcello Gandini entworfen und besticht auch heute noch durch seine einzigartige Form. Auch für Lamborghini war der erste Mittelmotor-Sportwagen ein Meilenstein und startete mit einer langen Tradition, welches bis zum heute aktuellen Aventador reicht. Die seitliche Aufnahme zeigt die beeindruckende Silhouette mit heute fast schon ungewöhnlichen Rundungen. Zwischen Buchtitel und Untertitel findet sich ein gern genutztes Detail von italienischen Automobilen wieder – die Farben der italienischen Flagge wurde und wird häufig dezent im schmalen Streifen auf den Fahrzeugen platziert. Man ist stolz auf seine Arbeit und zeigt damit auch gleich einen gewisse Heimatverbundenheit. Neben dem Verlagslogo, welches am unteren Rand platziert wurde, finden sich noch die Autoren und der Fotograf wieder. Ein Großteil der enthaltenen Bilder lieferten die Basis für dieses Buch und sorgen für neue und frische Aufnahme der Modelle von Bertone. Auch auf der Rückseite des Buches finden sich noch drei weitere Bilder wieder, welche ebenfalls sehr gelungene Aufnahmen zeigen. Hier findet sich abermals der Miura wieder, während daneben auch der Nachfolger Countach zu finden ist und als letztes Modell der legendäre Lancia Stratos. Der Klappentext klärt den Leser dann noch über die Entstehung des Buches auf, welches sich auf die Fahrzeuge aus der Bertone Sammlung konzentriert …

Neben tollen Aufnahmen gibt es zu jedem Modell auch die wichtigsten Informationen.

Beim Vor- und Nachsatz nutzt das Buch die großen Seiten um die italienischen Farben nochmals großflächig zu präsentieren. Dieses macht durchaus Eindruck und sorgte gleichfalls für ein kleines Schmunzeln beim Öffnen des Buches. Im Inhaltsverzeichnis kann man dann einen Überblick über die einzelnen Fahrzeuge im Buch entdecken und dabei auch die Sortierung nach den jeweils verantwortlichen Designern. Neben 63 Fahrzeugen finden sich so im Buch auch Portraits über acht Designer wieder, unter deren Einfluss entstanden schließlich diese markanten Automobile.
Zum Start folgt zunächst eine kurze Einleitung und im unmittelbaren Anschluss ein Vorwort von Alberto Scuro, Präsident des Automotoclub Storico Italiano (ASI). Dieser Vereinigung ist zu verdanken, dass diese Sammlung mit Bertone-Automobilen in dem Umfang so zusammengehalten werden konnte. Nach dem man schon ab 2007 keine Fahrzeuge mehr herstellte war der weitere Abstieg von Bertone ohne fremde Hilfe nicht aufzuhalten. So fand schon 2011 eine Auktion statt, auf der sechs der bekanntesten Studien von Bertone verkauft wurden. Dieses Angebot wurde natürlich von den vielen Bietern dankbar angenommen, aber brachte den ASI in Stellung. Die Auflösung der hauseigenen Bertone-Sammlung sollte verhindert werden und so wendete man sich an das Ministerium für das kulturelle Erbe und erwirkte das bei weiteren Verkäufen die Sammlung zumindest nicht vereinzelt verkauft werden darf. Auch ein Verkauf außerhalb Italiens war nun nicht mehr möglich. Schon 2015 war das Ende von Bertone immer näher gekommen und der Konkursverwalter setzte eine Auktion an um die verbleibenden Modelle zu versteigern. Der ASI rief eine außerordentlichen Sitzung ein und beschloss den Ankauf der Sammlung, welche seitdem mit viel Liebe und Hingabe von italienischen Enthusiasten gepflegt wird.

Neben den Fahrzeugen werden auch acht Designer aus der Geschichte von Bertone portraitiert.

Ehe das Buch nun die tollen Fahrzeuge aus der Sammlung vorstellt, folgt noch ein Blick auf die Geschichte von Bertone. Hier erfährt der Leser von den Anfängen als kleiner Stellmacher-Betrieb bis zum Aufstieg als vollumfassender Automobil-Produzent. Eine trage Rolle spielte hierbei Nuccio Bertone, der Sohn von Firmengründer Giovanni Bertone. Er prägte das Designstudio und entwickelte den Familienbetrieb zum einen fast gleichwertigen Partner der großen Automobil-Hersteller. So stellte man für verschiedenen Hersteller Nischen-Modelle her, bei denen die Fertigung zur damaligen Zeit beim Hersteller selbst noch zu hohe Kosten verursacht hätte. Auch als eigenständige Marke von einigen, wenigen Modellen fand man Bertone im Laufe der Jahre wieder, doch das sollte die Ausnahme bleiben.
Schließlich gibt es einen Überblick über die acht Designer, welche die Modelle der Marke ab 1952 maßgeblich prägen sollten. Das Buch stellt zu Beginn immer den Designer selbst vor und startet mit Franco Scaglione, der nach dem Ende des zweiten Weltkrieges nach Turin umsiedelte und zunächst mit einer Anstellung bei Pininfarina liebäugelte. Doch dieser wollte den Namen des Designer lieber nicht angeben, während Nuccio Bertone damit kein Problem hatte und sich die Dienst von Scaglione sichern konnte. Schnell zeichnete dieser beeindruckende Entwürfe, von denen sicher die drei B.A.T.-Studien auf Basis Alfa Romeo bis heute sehr präsent sein dürften. Auch einige Arbeiten nach der Bertone-Einstellung werden noch erwähnt, so dass die Vorstellung des Designers auch komplett ausfällt.
Zu allen bisherigen Texten finden sich im übrigen auch einige, größtenteils zeitgenössische Bilder wieder, welche den Text sehr gelungen unterstützen.

Die Modelle sind sehr vielfältig und gerade die Konzeptstudien sind immer wieder beeindruckend.

Schließlich wird mit dem Alfa Romeo Giulia Sprint aus dem Jahr 1963 das erste Automobil aus der Sammlung vorgestellt. Zu jedem Fahrzeug gibt es die wichtigsten technischen Daten und auch das Datum der Erstvorstellung zu entdecken. In diesem ersten Fall wurde das Modell schon 1954 als Giulietta Sprint vorgestellt, ehe das im besonderes schönen Blau lackierte Modell aus der Sammlung gefertigt wurde. Ein kurzer, prägnanter Text bringt dazu noch die wichtigsten Informationen zum Modell mit und dazu gibt es eine recht hohe Anzahl an Bildern, welche neben tollen Ganzaufnahmen auch immer wieder tolle Details zum Vorschein bringen. Das zweite Modell von Scaglione ist ebenfalls ein Alfa Romeo und in diesem Fall ein Giulia Sprint Speciale, der mit einer besonders ungewöhnlichen Form schon damals für Aufsehen sorgen konnte, Bis heute ist die Form besonders und so markant, dass man den Alfa Romeo sofort erkennen kann. Die aufwendige Gestaltung der Karosserie machte die schon damals übliche Verwendung von Presswerkzeuge unmöglich, so dass viele kleine Teile per Hand entstanden. Das Buch würdigt das Modell gar als „… das Auto mit dem größten Sex-Appeal der Sammlung.“.
Nachfolger von Scaglione wurde Giorgetto Giugiaro, den Nuccio Bertone von Fiat abwarb. Der erst 21 jährige Giugiaro sollte über sechs Jahre die Modelle von Bertone formen und schuf dabei auch einige besonders elegante Fahrzeuge. Später machte er sich selbstständig und blieb aber weiterhin als Automobil-Designer sehr aktiv. Der Alfa Romeo 2600 Sprint aus der Sammlung ist einer dieser eleganten Entwürfe, die es bei einem großen Coupé bedurfte. Es zeigt sich hier, durch die vielen Bilder auch eine hohe Detailverliebtheit und man kann immer wieder neue, interessante Details entdecken. Doch auch für die kleineren Modelle wie dem Simca 1200 S Coupé oder dem sehr erfolgreichen Fiat 850 Spider verleih Giugiario eine tolle Form.

Es gab auch einige Modelle, welche unter dem Markennamen Bertone hergestellt und vertreiben wurden.

Marcello Gandini trat wiederum die Nachfolge von Giugiaro an und machte sich selbst schon mit seinem ersten Fahrzeug zur Legende. Der Miura, welcher ja auch den Titel des Buches schmückt wurde nur fünf Monate nach der Einstellung von Gandini vorgestellt und erfuhr sofort viel Begeisterung. Er war der Star des Genfer Salons im Jahr 1966 und verfügte über einen quer eingebauten V12-Motor und somit über einen optimale Gewichtsverteilung. Das Modell aus der Sammlung ist ein P400 S, der über 20 PS mehr Leistung als das Ur-Modell verfügte und auch designtechnisch schon ein paar Optimierung mit sich bringen sollte. Doch die betörende Grundform blieb erhalten, es gab auch keinerlei Grund diese zu ändern. Viele ungewöhnliche Lösungen fanden sich auch im Lamborghini Espada II wieder, der auch das Konzept der Designstudie Marzal zitierte. Neben vielen Serienmodellen finden sich natürlich auch noch einige Styling-Studie von Bertone in der Sammlung wieder. So ist der Fiat 128 Coupé Shopping aus dem Jahr 1969 vermutlich das erste, wenn nicht gar einzige Automobil, welches über einen im Heck integrierten Einkaufswagen verfügt. So oder so waren und sind die Studien das Salz in der Suppe des Automobil-Designs und liefert ungewöhnliche Ansätze, welche hier gerne probiert werden um den Geschmack des potentiellen Käufer zu testen. Der nicht vorhandene Zwang zur möglichen Serienfertigung macht zudem die Designer freier, so dass wirklich tolle Studien wie der Autobianchi A112 Runabout entstehen konnten. Im Buch lassen sich noch viele Modelle wiederfinden, an die man sich heute nicht unbedingt mehr erinnern wird und zeigt auch eine hohe Vielfalt und die chronologische Entwicklung nach. Neben den Studien gibt es aber auch die Serienmodelle wie einen Citroën XM oder Opel Astra Cabrio zu entdecken. Der Schluss bildet der Bertone Jaguar B99 bzw. B99 GT aus dem Jahr 2011.
Im Anschluss gibt es noch einen Überblick über die Modelle, welche aus der Sammlung verloren gingen. Dazu wird es noch Bertone Studio vorgestellt und nach dem Epilog folgt noch ein Blick hinter die Kulissen der Produktion des Buches.

Fazit: Fraglos zählt Bertone zu den großen Namen des italienischen Automobil-Designs und schuf in seiner über 100 jährigen Geschichte viele Ikonen. Das Buch zeigt die Modelle aus der Bertone-eigenen Sammlung mit dessen Aufbau in den 1960er Jahren begonnen wurde. Nach dem Konkurs konnte sich der historische, italienische Automobilclub einen Großteil dieser Sammlung sichern und hielt diese somit zusammen und in ihrem Heimatland. Mit neuen Fotografien schuf man einen Grundlage zur Realisierung dieses Buches, welches alle Modelle der Sammlung vorstellt. Dazu gibt es alle wichtigen Informationen und Geschichten, welche die erstklassigen Aufnahmen sehr stimmig abrunden.
Knapp unter 50 Euro sind ein fairer Preis für eine fraglos aufwendige Bildproduktion und einer dazu passenden textlichen Dokumentation. Freunde des Automobil-Designs werden hier ohne Fragen zuschlagen und werden sicher nicht enttäuscht.

Bibliografie:
Titel: Bertone – Italienische Auto-Ikonen
Autoren: Gautam Sen, Michael Robinson
Umfang: 320 Seiten, 347 Fotos und Abbildungen
Format: 301 x 246 mm
Bindung: Gebunden
Auflage: 09/2021
Preis: 49,90€
ISBN: 978-3-667-11832-5
Bestellbar beim Verlag unter: www.delius-klasing.de

Text: Marco Rassfeld
Fotos: Delius Klasing, Makarand Baokar, Marco Rassfeld