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Buch – Mahy

Die Oldtimer Familie – Die stille Schönheit von einzigartigen Oldtimern – der umfassende Untertitel klärt den Leser schon auf über das, was ihm Inhalt eines neuen Buch von Koehler Books erwartet. Es erzählt die Geschichte von der Verbindung der Familie Mahy mit den Automobilen, welchen bis eine sicher einmalige Story ist und viele interessante Anekdoten zu Tage bringt – man darf also gespannt sein …

Die Schönheit des verfallenden Automobils
ziert schon den Titel des Buches.

Zunächst aber gibt es einen Blick auf die technische Umsetzung des Buches. Der Titel kommt im großen Querformat daher und ermöglicht so die Abbildung der Oldtimer in ausreichender Größe im Buch. Auf dem Titel findet sich ein Oldtimer wieder, dem die Jahre anzusehen sind. Auf der leicht schrägen Frontalaufnahme zeigt sich ein Horch mit dem Staub, der sich während seiner Lagerung angesammelt hat. Und somit erhält man auch gleich einen Eindruck, was den Leser hier erwartet. Die gezeigten Automobile sind nämlich nicht die perfekt restaurierten Modelle aus der beeindruckende Sammlung der Familie Mahy, sondern eben jene welche noch im Original-Zustand sind. Dazu lassen sich tolle und unglaubliche Geschichten mit den Automobilen verbinden, welche die Einzigartigkeit hervorheben sollen. Die Wahl eines neutralen, weißen Hintergrund trägt zudem noch dazu bei, dass die Besonderheiten und auch viele Details sehr gut zu entdecken sind. Gleichfalls wird man das Gefühl nicht los, sich in einer Art Operationssaal zu befinden, in denen die Fahrzeuge auf ihre Behandlung warten. Neben dem Horch finden sich auf dem Buchtitel nur noch die notwendigsten Angaben wie Autoren, Verlag und natürlich der Titel inklusive der Untertitel wieder. Ein Blick in die Lagerhallen erhält man schon durch das Umdrehen des Buches, denn auf der Rückseite kann man einen Rampe empor blicken. Hier stehen viele Fahrzeuge, welche den Zustand der Staubschicht mit dem Horch vom Titel teilen und lassen jeden Automobil-Fan sofort ins Schwärme geraten. Die Auswahl und Vielfalt der schon hier zu entdeckenden Fahrzeug ist beachtlich und folgt scheinbar keinerlei Regel. Dazu klärt der Klappentext über die Sammlung ein wenig auf und lässt einen ersten Eindruck zu …

Die umfassende Einleitung gibt einen tiefen Einblick in die Geschichte des Automobil-Imperiums Mahy.

Die beiden beim Einband verwendeten Bilder sind ein Spiegelbild dessen, was den Leser und Betrachter im Buch erwartet – eine Mischung aus herausragenden Studioaufnahmen vor den neutralen Hintergrund des Papiers und immer wieder auch ein Blick in die Sammlung und die scheinbar abenteuerliche Lagerung von vielen Oldtimer in den Hallen der Familie Mahy. Beide Szenarien können dabei beeindrucken und es gibt wirklich viel zu entdecken. Auch der Start ins Buch erfolgt durch die ausschließliche Darstellung von Bildern, Dabei verzichtet das Buch auf eine Beschriftung der Bilder und lässt so die Leser mit der Analyse welche Automobile gerade gezeigt werden alleine. Dies ist auf der einen Seite zwar auch interessant, aber die Modelle sind teilweise wirklich exotisch, so dass eine komplette Zuordnung sicher schwer fallen wird. Auf der anderen Seite fühlt man sich dabei durchaus so, als wenn man persönlich durch die Lager geführt wird, wo es eben auch keinerlei Hinweise auf die Modelle gibt.
Der erste Text folgt dann erst auf Seite 17 und ist eine Einleitung, in der die Idee zum Buch vorgestellt wird. So wollte Michel Mahy als Enkel von Ghislian Mahy, der mit der Sammlung der Automobilen startete, die vielen Modelle aus den Lagerhalle in dem Zustand mit den Narben der Zeit zeigen. Dazu sollen aber auch die Geschichten erzählt werden, welche hinter jedem einzelnen Fahrzeug steckt und diese so noch interessanter macht.

Die fotografische Darstellung der Fahrzeug ist perfekt und kann durchgehend begeistern.

Die Geschichte des Imperiums der Familie Mahy startete schon 1869, denn in diesem Jahr sorgte Ghislenus Télésphore Mahy mit dem Umzug der Metallschmiede in das Hafenviertel von Gent für eine wichtige Grundlage des Unternehmes. Schon dessen Nachfolge, welche ursprünglich seine vier Söhne antraten, sorgte für einen Bruch in der Familie. Léon Mahy gründete schließlich seine eigene Werkstatt, welche nach dem ersten Weltkrieg wiederum von seinen Söhnen Louis, Gaston und Urbain übernommen wurde. Auch diese Brüder sollten sich wenig später zerstreiten, so das die hergestellten Dampfkessel bald nur noch unter der Regie von Louis Mahy hergestellt wurden. …

„Automobile, diese klapprigen Dinger auf Rädern, davon wirst Du nie leben können.“

Louis Mahy im Jahr 1932

Kurz nach dem Börsencrash in den USA waren die Aussichten in die Zukunft nicht gerade rosig und Vater Louis hatte seinen Zweifel an dem Bestreben seines Sohnes mit 24 Jahren nun in das Geschäft der Gebrauchtwagen einsteigen zu wollen. Dies führte sogar soweit, dass Ghislian sein Elternhaus verließ und somit einen weiteren Bruch in der Familie provozierte. Dies alles zeugt von der Starrköpfigkeit mit denen die Familie ihre persönliche Überzeugungen durchsetzen wollte. Schon früh war Ghislian von Automobilen und deren Technik fasziniert und konnte sich einen Zukunft des Dampfantriebs nicht vorstellen, ob der großen Innovation der ersten Automobile. Mit jungen 17 Jahre baute er schließlich aus einen schrottreifen Dixi sein eigenes Automobil auf. Das sogenannte Mahymobile war dann auch das erste Automobil welches er in seinem neuen Betrieb verkaufen sollte …

Die Vielfalt der Marken und Modelle ist absolut beeindruckend und man kann viel entdecken.

Der umfassende Text erzählt die Geschichte des Gebrauchtwagenhandels, der schnell expandieren konnte, sehr detailliert und gibt dem Leser die Möglichkeit die Grundlage und das Verständnis für die daraus entstehende Sammlung der Familie. Das Layout ist hierbei zweispaltig, was bei der Breite des Buches auch notwendig ist, denn ansonsten wäre die Lesbarkeit aufgrund der Länge der Zeilen schwierig. Doch es findet sich keinesfalls eine reinen Buchstabenwiese wieder, denn immer wieder gewähren großformatige Aufnahmen einen Blick in die stummen Zeugen dieser Zeiten. Schon 1939 mietete Ghislian Mahy den Wanderzirkus in Gent an und wollte hier seinen Automobil-Handel nachhaltig expandieren. Doch durch erneut aufkommenden, internationalen Spannungen führte der zweite Weltkrieg für eine abermals schwere Zeit. Nach einen Rechtsstreit mit dem Besitzer des Wanderzirkus und die nicht mögliche Nutzung des Gebäudes im zweiten Weltkrieg, war dieser finanziell angeschlagen und Mahy nutzte diese Gelegenheit und kaufte den Winterzirkus. In den Nachkriegsjahren erweiterte Mahy sein Angebot der Gebrauchtwagen erstmals um Neuwagen und bot zunächst die Modelle des US-amerikanischen Herstellers Nash an. Die Qualität konnte aber nicht überzeugen und nur wenig später war die Marke wieder aus dem Mahy-Autohaus verschwunden. Stattdessen sicherte man sich kurze Zeit später die exklusiven Rechte zum Vertrieb für Fiat und Simca-Modellen in Gent und Umgebung. Parallel fing Ghislian gemeinsam mit seinen Frau Geneviève an einen Sammlung aufzubauen, denn erforderliche Platz bot der große Wanderzirkus hierfür allemal und das Angebot an vermeintlichen Schrottautos war groß, so dass die Sammlung durch viele Reisen mit dem LKW und abenteuerlichen Transporten schnell anwuchs. Schon 1963 befanden sich 400 Modelle in der Sammlung, womit es die größte Sammlung auf dem europäischen Festland war.

Mit dem Blick in die Sammlung erhalt man die Möglichkeit noch viele weitere Fahrzeuge zu entdecken.

Nach dieser, schon sehr interessanten und in vielen Facetten auch unglaublichen Geschichte folgt schließlich die Vorstellung von einzelnen Fahrzeugen. Die Auswahl startet mit einen Rochet-Schneider Vis-à-Vis aus dem Jahr 1895 und damit die chronologische Darstellung von ausgesuchten Automobilen. Das Modell der heute längst vergangenen französische Marke hatte es Ghislian angetan und als der Besitzer drohte den Wagen 1957 anderweitig zu verkaufen musste er sich beeilen um das gelbe, kutschenartige Automobil zu erstehen. Heute ist der Vis-à-Vis das älteste Modell der Sammlung und wurde inzwischen von dem Mahys mit viel Hingabe restauriert und strahlt mit einen unvergleichlichen Zustand. Auch die folgenden Modelle stammen aus den Anfangsjahren des Automobilbaus und wurden produziert von De Dion-Bouton, Panhard & Levassor, Renault, Philos, Bugatti, Le Zèbre, Rochet, Amilcar. Dies unterstreicht die Vorzüge für französische Fabrikate von Mahy und zieht sich durch die komplette Sammlung. So dürfen auch die Marken Delage und Voisin nicht fehlen, aber es ist auch der Eigenbau von Maurice Badaroux darunter. Mit Hudson, Packard und Mercedes-Benz, MG, Minerva, Rolls-Royce, Ford, Horch, BMW und Cadillac ist aber auch die weltweite Automobil-Produktion vor dem zweiten Weltkrieg abgedeckt. Es gibt eben keine echte Regel, welche auf die Sammlung von Mahy zutreffen könnten. Dies trifft auf die Auswahl der Fahrzeuge ebenso zu wie auf den Zustand. In diesem Buch ist der restaurierte Rochet-Schneider eine Ausnahme. Viele Automobile sind von der Zeit gezeichnet und zeigen auch erbärmliche Zustände.
Die Vorstellung der Modelle erfolgt dabei immer noch dem gleichen Muster: Mit großen Bildern wird das Fahrzeug vor neutralen Hintergrund gezeigt und kann man auch interessante Details entdecken. Auch einen Blick auf den Standort in der Sammlung kann man aber immer wieder entdecken. Dazu gibt der passende Text die Geschichte zu genau diesem Automobil wieder, zum Einen wie das Auto in die Sammlung kam und zum Anderen liefert das Buch eine kleine Geschichte über das Modell an sich und den Hersteller. Auch die wichtigsten, technischen Daten der Modelle finden sich wieder. Das modernste Automobil im Buch ist im übrigen eine AMC Javelin aus dem Jahr 1974 und zum Abschluss gibt es noch einen Hinweis auf das Museum Mahymobiles im belgischen Leuze-en-Hainaut sowie eine kurze Vita über die Autoren des Buches.

Fazit: Das Buch zeigt einige der interessantesten Automobile der Geschichte, die sich oftmals im schlechten Zustand befinden. Diese werden einzeln vorgestellt und offenbaren dabei auch ihre einzigartige Historie, bis sie in die Sammlung eine verlässliche Heimat gefunden haben. In den erstklassigen Fotografien der Modelle zeigen sich auch immer viele interessante Details, welche die Modelle besonders machen. Aber neben der rein fotografischen Darstellung können auch die Texte im Buch voll überzeugen, die Geschichte der Familie Mahy und der Passion für die Automobile ist mitreißend geschrieben und legt viele kaum zu glaubende Anekdoten offen. Auch zu jedem Fahrzeug gibt es eine eigene Geschichte, die über die Modelle aufklärt. Dazu gibt es auch immer wieder einen Blick in die Lagerhallen der Sammlung, bei denen sich noch viele viele weitere Automobile entdecken lassen – echte Schatzkammern.
Das Buch ist zum Preis von knapp unter 40 Euro erhältlich und gibt dem Leser die Möglichkeit einen einmaligen Streifzug durch die beeindruckende Sammlung Mahy zu erleben. Das Buch ist somit für alle Fans der klassischen Automobile interessant, aber auch jeder generelle Automobil-begeisterte wird das Buch mit viel Freude durchlesen.

Bibliografie:
Titel: Mahy – Die Oldtimer Familie – Die stille Schönheit von einzigartigen Oldtimern
Autoren: Michel Mahy, Wouter Rawoens
Umfang: 272 Seiten, zahlreiche Farbfotos
Format: 300 x 230 mm
Bindung: Hardcover
Auflage: 07/2021
Preis: 39,90 €
ISBN-Nr.: 978-3-7822-1359-2
Beim Verlag unter: http://koehler-mittler-shop.de

Text: Marco Rassfeld
Fotos: Maximilian Verlag GmbH & Co. KG, Wouter Rawoens, Marco Rassfeld