Mercedes-Benz
Über den Stellenwert des Mercedes-Benz 300 SL lässt sich kaum streiten, denn, der zunächst als Rennwagen entwickelte Flügeltürer ist eine Ikone. Diesem tragen eine Vielzahl an Medien ausreichend gebührend Rechnung und auch der Fotograf René Staud schuf mit The 300 SL Book ein tolles Buch. Mit der Vorstellung der neusten SL-Generation veröffentlicht teNeues nun eine Neuauflage des Buch-Klassikers.
Das Buch selbst kommt im großen Format daher und entspricht damit dem Anspruch eines Coffee Table-Buches. Somit ist die logische Ausrichtung auch sofort deutlich. Wie kaum anderes zu erwarten, präsentieren sich hier eine Vielzahl an interessanten Fotografien rund um den 300 SL. Das Buch zeigt sich in der neusten Edition mit einem tollen Bild mit gleich drei Modellen des SL auf dem Titel. Neben dem ersten 300 SL mit den charakteristischen Flügeltüren findet sich noch der 300 SL Roadster als sein Nachfolger wieder. In Front steht dann aber der neuste SL, welcher in der mittlerweile siebten Generation das Erbe in die Gegenwart trägt.
Die drei Fahrzeuge sind dabei allesamt in Rot lackiert und befinden sich vor einer interessanten Kulissen, welche Flammen vermuten lässt. Dazu kommt noch der Effekt einer Kaltfolie, welche je nach Lichteinfall das Motiv unterschiedlich Glänzen lässt. Man erhält somit gar den Eindruck, dass die Scheinwerfer der Fahrzeuge den Betrachter anblenden. Eine tolle Realisierung, welche optisch durch wenige Texte und dem Verlagslogo auf dem Titel kaum gestört wird. Nachdem sich der Rotton auch auf dem Buchrücken zeigt, findet sich auf der Rückseite des Buches die Heckansicht des neusten Mercedes-AMG SL wieder. Auch der Glanzeffekt mit dem Hintergrund sorgt hier für Eindruck. Dazu findet sich der Klappentext in drei Sprachen wieder und weist auf die 70 Jahre Tradition des SL hin.
Nachdem Aufschlagen findet sich auf dem Vorsatz noch ein weiteres Motiv aus der Serie mit den drei Modellen von Titel wieder. In diesem Fall eine Seitenaufnahme, welche auch einen Vergleich der Größen der Fahrzeuge bedingt zulässt. Obwohl die Perspektive sicher noch ein wenig verzerrt, ist schnell zu erkennen, dass die neuste Generation deutlich größer ist. Vor allem bei den Felgen lässt sich dies sehr beeindruckend erkennen. Interessant ist der Vergleich von Vor- und Nachsatz, denn hier wurde keinesfalls das selbe Bild verwendet. Ist der neue SL im Vorsatz noch der letzte Wagen, so scheint dieser bis zum Nachsatz seine beiden Ur-Väter überholt zu haben. Auch die reduzierte Darstellung in Rot und Schwarz sorgen für einen stilvollen Eindruck.
Dann findet sich schnell das recht übersichtliche Inhaltsverzeichnis wieder. Dieses wurde, ganz in Sinne des Buches, mit Bildern realisiert. Es nutzt acht kleinere Aufnahmen um alle Kapitel inkl. der Einleitung und des Anhangs darzustellen. Nicht mehr als ein oder zwei Wörter weisen auf den entsprechenden Inhalt hin, während die Seitenzahl den entsprechenden Verweis liefert. Diese Bilder liefern schon einen tollen Überblick über die Arbeiten von René Staud und seiner Fotografie-Kunst. Die folgende Einleitung teilt sich auf in zwei Begriffe, welche immer wieder mit dem 300 SL verbunden werden. Auf die Leidenschaft geht René Staud ein, während der für die Texte zuständige Jürgen Lewandowski sich mit dem Mythos beschäftigt.
Es folgt zu Beginn der Blick auf die Archetypen des 300 SL, also den ursprünglichen Rennwagen. Diese kamen in der Rennsaison 1952 zum Einsatz und konnten in den Sportwagenrennen schnell beeindruckende Erfolge einfahren. Ein kurzer, einleitender Text liefert hierzu die notwendigsten Informationen. So lässt sich unter anderem auch der Grund für die ungewöhnliche Türkonstruktion entdecken. Um die Steifigkeit für den Rennwagen so hoch wie möglich zu erhalten, wurde ein Rohrrahmen verwendet. Dieser wurde seitlich aber so hoch, dass es nicht möglich war „normale“ Türen einzubauen. So kam die Idee mit den nach oben aufschwingenden Türen, welche bis heute Teil des Mythos 300 SL sind.
Passenderweise blickt man bei dem erstem Bild, welches hier wie selbstverständlich die gesamte Größe des Buches ausnutzt, auf eben jene Türen. Das Foto mit einem grellen Gegenlicht erweckt den Eindruck man sei auf dem Weg in den 300 SL einzusteigen. Nach eine Aufnahme des Rennwagens von oben findet sich noch die Weiterentwicklung für die Saison 1953 wieder. Diese Version kam allerdings nicht mehr zu Einsatz, denn Mercedes-Benz wollte sich nun auf den Grand Prix-Sport konzentrieren. So bliebt die liebevoll „Hobel“ benannte 300 SL ein Einzelstück – heute natürlich umso kostbarer.
Der Gullwing hat dann seinen großen Auftritt, denn auf nicht weniger als 52 Seiten kann man nun den ersten 300 SL begutachten, der käuflich erworben werden konnte. Unter dem Namen Gullwing ist dieser vor allem in den USA bekannt, der damaligen Haupt-Absatzmarkt des Supersportwagens. Mit 215 PS und bis zu 250 km/h Spitzengeschwindigkeit hatte der 300 SL kaum Konkurrenz zu fürchten. Die Motive zeigen verschiedenste Fahrzeuge in immer wieder überraschenden Aufnahmen, wobei nicht wenige davon natürlich schon bekannt sein dürften. Immerhin ist die Erstauflage des Buches vor mittlerweile 10 Jahren erschienen. Und auch in den jährlichen Kalendern von den Staud Studios Leonberg wurden diese Fotografien verwendet. Jedes Foto fraglos ein Kunstwerk für sich und dabei zeigt sich eine tolle Bandbreite an Aufnahmen im Buch wieder.
Mit dem 300 SLR gab es dann aber doch noch einige wenige Exemplare, welche die Rennstrecke bevölkerten. So unter anderem auch der Wagen mit der Startnummer 722 mit dem Stirling Moss im Jahr 1955 die Mille Miglia gewann. Legendär ist auch das schon vorher zu entdeckenden, sogenannte Uhlenhaut-Coupé des 300 SLR, benannt nach einem der Ideengeber des 300 SL. Extrem rar und vermutlich noch skuriller ist dann noch der 300 SLS. Dieser wurde in den USA bei den Rennen des Sports Car Club of America eingesetzt und ist der einzige Rennwagen, der auf Basis des Roadsters verwirklicht wurde. Alle Modelle finden sich in großformatigen Aufnahmen im Buch wieder und zeigen dabei auch ungewöhnliche Ansichten.
Der 300 SL Roadster folgte als Nachfolger des Coupés und wurde im März 1957 vorgestellt. Die Kundschaft in den USA forderte auch die Möglichkeit den Sportwagen offen zu fahren. hierfür musste der 300 SL allerdings recht umfassend angepasst werden. Denn natürlich waren mit dem offen Dach auch die Konstruktion einer neuen Tür notwendig. Mit der nun verwendete Eingelenk-Pendelachse sorgte man zudem für eine Verbesserung der Fahrdynamik. Die Verkaufszahlen waren schließlich sogar noch größer als beim Coupé und im Buch findet sich der Roadster auf 64 Seiten wieder!
Im Buch findet sich im Anschluss noch ein Blick auf die SL Familie. Neben den sechs bislang erhältlichen Generationen finden sich auch noch weitere Modelle mit einer gewissen Beziehung zum Thema sportlicher Mercedes-Benz wieder. So findet man den klassischen 190 SL wieder, der parallel zum ersten 300 SL angeboten wurde. Aber auch modernere Derivate in Form des SLR McLaren, dem SLS AMG oder dem kleinen SLK wird man nicht vermissen. Die Vorstellung folgt dabei chronologisch, so dass die Entwicklung gut nachvollzogen werden kann.
Dem neuen SL widmet das Buch dann das noch ein eigenes, neues Kapitel und zeigt die frischesten Aufnahmen aus den Staud Studios. Hierzu findet sich die Bildreihe wieder, welche schon den Buchtitel schmückt und auch die klassischen 300 SL teilweise mit einbezieht. Im abschließenden Anhang gibt es noch ein Biographie von René Staud zu entdecken und einen Überblick der wichtigsten technischen Daten der im Buch zu findenden Modelle.
Fazit: The 300 SL Book ist ein fraglos sehr selbstbewusster Buchtitel, denn schließlich sind zahlreiche Bücher über den ersten Sportwagen aus Stuttgart nach dem zweiten Weltkrieg erhältlich. Wie man es von René Staud gewohnt ist, handelt es sich bei diesem Buch um eine fotografische Betrachtung der Modelle. Die notwendigsten Informationen findet man zwar auch wieder, sind aber eher als Ergänzung zu sehen. Das Buch bietet dafür eine einmalig stilvolle Darstellung des Mercedes-Benz SL, wobei der Fokus auf den klassischen 300 SL liegt.
Der Preis von 80 Euro ist für ein solch großes Buch mit der hohen Qualität sicher nicht übertrieben, sondern gerechtfertigt. Da es sich um eine Neuauflage handelt müssen die Besitzer der vergangenen Ausgaben abwägen, ob sich die Investition lohnt. Für alle, die noch kein The 300 SL Book im Regal stehen haben – es gehört da rein!
Bibliografie:
Titel: Mercedes-Benz – The 300 SL Book
Autoren: René Staud , Jürgen Lewandowski
Umfang: 272 Seiten, 210 farbige Abbildungen
Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch
Format: 278 x 345 mm
Bindung: Hardcover
Auflage: 03/2022
Preis: 80,– €
ISBN-Nr.: 978-3-96171-401-8
Bestellbar beim Verlag unter: www.weltbild.de
Text: Marco Rassfeld
Fotos: Daimler, teNeues, Marco Rassfeld