Was sich von 1966 bis 1974 in Amerika auf den Rennstrecken abspielte, wird mit großer Sicherheit nie wieder kommen – die ursprüngliche Can-Am. Die Abkürzung stand für Canadian-American Challenge Cup und stellte eine Rennformel dar, in der es keine Limits gab. Durch das Nutzen der sehr freien Gruppe 7-Regeln der FIA waren die Rennwagen frei in Hubraum, Leistung und Aufladung. Ein Buch aus dem amerikanischen Verlag Motorbooks erschien passend zum Ende des letzten Jahres, und blickt zum 50. Geburtstag der Can-Am zurück …
Schon beim ersten Blick kann das Buch mit einem großen Format glänzen und wird von einem stilistisch anspruchsvoll umgesetzten Schutzumschlag umgeben. Und gleich zum Start zeigt das Buch ein großformatiges Bild eines McLaren M8B mit Bruce McLaren am Steuer beim Rennen in Road America im Jahr 1969. Der erste Auftritt des Chaparral 2E zeigt sich ebenfalls noch vor dem textlichen Start des Buches. Die Danksagungen und die Einleitung stammen vom Autor George Levy und von Pete Biro, der die meisten der im Buch verwendeten Bilder beisteuerte. Dazu folgt dann noch ein Vorwort von Pete Lyons, der vor allem auf die großen Künste der Fotografie von Pete Biro eingeht.
Das Buch teilt sich in zehn Kapitel auf, in dem es die Ereignisse rund um die freizügigste Rennserie chronologisch dem Leser präsentiert. Das erste Kapitel zeigt die Rennszene in Kanada und den USA vor der ersten Saison der CanAm. So werden die Hintergründe zum Entstehen der Serie erläutert, die vor allem durch die Intention von Jim Kaser und John Bishop mit der Saison 1966 ins Lebens gerufen wurde. Durch hohe Preisgelder erhoffte man sich die Teilnahme von hochkarätigen Rennfahrern und durch das technische Reglement die entsprechenden schnellen Rennwagen dazu. Durch einen vermutlich erstmaligen Sponsoring-Deal mit J/Wax war dazu eine exzellente Präsentation in den Medien gewährleistet. Beste Voraussetzungen also für einen interessanten Start. Die Betrachtung der einzelnen Saisons erfolgt in einzelnen Episoden die unterschiedlichsten interessanten Geschichten aus dem Jahr nachgehen. Der Leser erhält keinen runtergeratterten Rennreport sondern erfährt einige spannende und interessante Details aus der Szene. Eine hervorragende Umsetzung!
Kapitel 2 zeigt dann das erste Jahr 1966, in dem die neu geschaffene Serie unter den Titel Canadian American Challenge Cup presented from J/Wax startete. Und gleich beim ersten Rennen in St. Jovite stand die Serie mit den Trainings-Unfällen von Paul Hawkins und Hugh Dibley schon wieder kurz vor dem Aus. Beide Fahrer bekamen Unterluft und überschlugen sich auf spektakulären Art und Weise. Da alles glimpflich ausging, fand das Premieren-Rennen schließlich wie geplant statt und man freute sich über ein großes Spektakel, welches John Surtees in einem Lola T70 für sich entscheiden konnte. Neben dem Formel 1-Weltmeister aus dem Jahr 1964 traten auch weitere hochklassige Fahrer an, z.B. Bruce McLaren, Chris Amon, George Follmer und Mark Donohue. Bei zweiten Rennen hatten dann die mit mächtigen Flügelwerk ausgestatteten Chaparrel von Jim Hall ihren ersten Auftritt in der Can-Am und sorgten für großes Staunen. Der extrem hohe Flügel war zunächst einmalig im Feld der Can-Am und war sogar von Cockpit aus verstellbar. Mit einer ziemlich kurzen Saison mit nur sechs Rennen konnte die Can-Am gleich im ersten Jahr vor viel Furore sorgen.
Im zweiten Jahr, welches logischerweise das nächsten Kapitel abbildet, beginnt dann The Bruce and Denny Show. Mit dem neuen M6A begann für das Team von McLaren eine Zeit der totalen Dominanz. Alle Titel der Can-Am ging von 1967 bis 1971 an das Bruce McLaren Motor Racing-Team. Neben den exzellenten Rennwagen war auch die entsprechenden Fahrerpaarung ein wichtiger Faktor für diese Dominanz. Bruce McLaren und Denny Hulme waren beide auch in der Formel 1 aktiv und zählten sicher zu den schnellsten Rennfahrern zu jener Zeit. Mit der enormen Power der Chevrolet-Triebwerke gewannen sie 1967 fünf der sechs Rennen, lediglich das letzte Rennen in Las Vegas konnte John Surtees gewinnen.
Das nächste Jahr 1968 zeigt sich im vierten Kapitel und zeigt die weitere Dominanz der McLaren, die sich aber keineswegs ausruhten. Vielmehr stellten Sie mit dem M8A ein neues Modell vor, welches nun auch über einen neuen Motor mit nun 7 Liter Hubraum verfügte. Dieser Motor wurde in der vorangegangenen Saison durch die Einsätze im Chaparrel entwickelt und erwies sich nun als zuverlässig. In dieser Saison gingen alle Siege an Rennwagen aus dem Hause McLaren, allerdings gelang Mark Donohue und John Cannon in Kunden-McLaren auch zwei Siege. Das Geschäftsmodell basierte, ähnlich wie bei Porsche, darauf, das die Modelle des Vorjahres käuflich zu erwerben waren. Diese nutzte 1968 sogar das Team von Roger Penske, der mit Mark Donohue über einen herausragenden Fahrer und auch Ingenieur verfügte. In diesem Jahr kam es auch zu einem verheerenden Unfall von Jim Hall im Chaparrel, der mit dem McLaren von Lothar Motschenbacher kollidierte. Er sollte in der Zukunft nie wieder ein Rennen in der Can-Am antreten können. Und endlich schien sich ein ernsthafter Konkurrent für McLaren für die Serie zu interessieren. Ferrari setzte beim letzten Rennen der Saison in Las Vegas den Ferrari 612 ein, konnte dieses Rennen aber nicht beenden.
1969 konnte Ferrari dann aber in die Serie einsteigen, aber das Werk sah sich nicht in der Lage neben der Formel 1 und der Sportwagen-Weltmeisterschaft auch die Wagen der Can-Am intensiv zu betreuen. Es kam aber dennoch zum Einsatz des 612 durch das Team von Chic Vandagriff. Er durfte nach Ansicht der Behörden seine bisherigen Einsätze mit McLaren nicht mehr durchführen. Denn seine Firma Hollywood Sports Cars bot im Verkauf auch keine McLaren an. Da er aber mit Ferrari’s handelte, kam er mit Maranello überein die Rennaktivität für Ferrari in der Can-Am in diesem Jahr durchzuführen. Ferrari stellte neben den Rennwagen einen Mechaniker und Chris Amon als Fahrer, die Hoffungen waren groß. Und auch Porsche sendete 1969 mit Jo Siffert und dem 917 PA erstmalig einen Rennwagen in die Serie. Die Überlegenheit von McLaren konnten beide aber nix entgegensetzen, sie gewannen einfach alle Rennen!
1970 wurde die hochbeinig wirkenden Spoiler, die in der letzten Saison fast auf allen Rennwagen zu finden waren verboten und die Can-Am-Rennwagen änderten ein wenig ihr Gesicht. Durch den Tod von Bruce McLaren bei Testfahrten in England kurz vor dem ersten Rennen rückte Dan Guerney an die Seite von Denny Hulme und trotz des Schmerzes über den Verlust des Neuseeländers gewann man acht von zehn Rennen der Saison. Dan Guerney wurde im Laufe der Saison durch Peter Gethin ersetzt. Einen der interessantesten Rennwagen der gesamten Renn-Geschichte brachte wiedermal Chaparrel auf die Rennstrecke. Der 2J betrat in Watkins Glen die Bühne und sorgte für die extreme Auslegung des Ground Effects. Mit einem extra Motor saugte sich der 2J an den Boden und erreichte ungeahnte Kurvengeschwindigkeiten. Beim Qualifiying in Laguna Seca konnte der revolutionäre Rennwagen die Konkurrenz um stattlich zwei Sekunden hinter sich lassen. Leider war die Zuverlässigkeit nicht gut und so ging wieder kein Weg an den McLaren vorbei.
1971 kam Jackie Stewart als Stammfahrer für einen brandneuen Lola ins Spiel. Stewart hatte schon vorher einige Einsätze in der Can-Am bestritten, aber nun lag eine komplette Saison vor ihm im Team von Chris Haas. Der T260 sollte die McLaren immerhin in zwei Rennen mit Stewart an Steuer besiegen können, aber erneut waren diese sonst nicht zu schlagen. Hinter dem diesjährigen Meister Peter Revson und Denny Hulme wurde Stewart in der Endabrechnung immerhin Dritter. Auf dem vierten Platz fand sich in dieser Saison Jo Siffert im Porsche 917/10 wieder, der aber immer noch nicht über ausreichend Motorleistung verfügte um gegen die großvolumigen McLaren mit ihren Chevrolet-Motoren bestehen zu können. Im Gegensatz zu Ferrari aber wurde das Engagement in der Ca-Am in der Zukunft immer wichtiger, schließlich wurde dem Porsche 917 durch die Beschränkung des Hubraum-Limits in der Sportwagen-Weltmeisterschaft auf 3 Liter die Grundlage für diese Serie entzogen.
Das achte Kapitel zeigt dann das Einstiegsjahr der von Penske eingesetzten Porsche 917. Sie verfügten in diesem Jahr über Turbo-Technologie und waren nun mit einer ausreichenden Leistung endlich konkurrenzfähig. Da Jo Siffert im Oktober 1971 bei einem nicht zur Weltmeisterschaft zählenden Formel 1-Rennen verstarb, war Mark Donohue nun der erste Fahrer für das Penske-Team. Er stimmte den neuen 917/10 gewissenhaft ab und stand vor einer großen Saison. Bei einem Unfall während weiteren Testfahrten verunglückte er kurz nach dem ersten Rennen der Saison schwer und so musste schnell musste Ersatz her. Dies fand Roger Penske und Form des erfahrenen George Follmer. Doch das erste Rennen begann für McLaren und Denny Hulme mit einem Sieg und der Hoffnung mit dem neuen M20 wieder einen großen Wurf geschaffen zu haben. Beim zweiten Rennen siegte Follmer dann aber zum ersten Mal und vier weitere Siege im Verlauf der Saison sicherten ihm den Meistertitel. Auch Mark Donohue konnte sich nach seiner Genesung noch über einen Sieg in Edmonton freuen und schloss die Saison noch auf dem vierten Platz ab. Die McLaren hatten plötzlich keine Chance mehr gegen die turboaufgeladenen Porsche.
Im Vorfeld der Saison 1973 versuchte McLaren sich ebenfalls mit der neuen Turbo-Technologie. Da man ohne Turboaufladung auch für die neue Saison keine Chance gegen die Porsche sah. Allerdings verliefen die Testfahrten nicht wie erwartet und statt sich erneut gegen die Übermacht aus Deutschland zu blamieren, entschloss man sich nicht mehr in der Can-Am anzutreten. Penske startete nun mit seinem Stammfahrer Mark Donohue in die Saison und verfügte durch die nochmalige Verbesserung des nun Porsche 917/30 genannten Gruppe 7-Rennwagens scheinbar über die Waffe die es zu schlagen galt. Die Gegner für Penske kamen in dieser Saison Rinzler Motorracing, die mit zwei Porsche 917/10 und den Fahrern George Follmer und Charlie Kemp. So konnte Kemp das erste Rennen gewinnen und Follmer das Zweite. Dann begann aber die Dominanz des 917/30 und Donohue gewann die restlichen sechs Rennen und wurde folgerichtig Meister.
Die letzte Saison der ursprünglichen Can-Am fand dann im Jahr 1974 statt und sollte durch geschickte Regeländerung die überlegenen Porsche einbremsen. Dies hatte zur Folge, das Porsche die Werksunterstützung einstellte und Penske nicht mehr antrat, zumindest nicht die komplette Saison. Bei Rennen in Mid-Ohio trat man dann doch noch einmal mit dem 917/30 an und Brian Redman war am Steuer. Aufgrund der passenden Streckencharakertistik wurde Redman sogar Zweiter hinter Jackie Oliver im Shadow. Die Ölkrise zwang die Regelhüter dazu die Rennen zu verkürzen und ein Verbrauchslimit vorzugeben, so waren die extrem leistungsstarken Turbo-Motoren von Porsche nicht mehr konkurrenzfähig. Dagegen konnte der Shadow nun die Rolle des Dominantors übernehmen und Jackie Oliver gewann von den noch übrig gebliebenen fünf Rennen gleich vier. In der Endabrechnung hatte er am Saisonende fast die doppelte Punktzahl wie der Zweitplatzierte George Follmer, der ebenfalls in einem Shadow unterwegs war. Doch das Ende der ungezügelten Can-Am war schon so gut wie logisch und so endete ein Ära.
Das Buch liefert zum Schluss noch einen Überblick über die einzelnen Saisons und die Punkteverteilung bei den einzelnen Rennen.
Fazit: Ein interessanter Blick auf die legendäre Can-Am-Meisterschaft der 60er und 70er Jahre. Das Buch liefert tolle Episoden aus den einzelnen Jahren und verzichtet bewusst auf eine reinen Darstellung des Rennverläufe. So kann auch der Fan sicher noch einige interessante Fakten finden die bisher noch unbekannt waren. Immer wieder finden sich auch gesonderte Darstellungen einzelner Personen wieder, die tiefer ins Detail gehen. Durch die vielen Zitate von den beteiligten Personen ist eine hohe Authentizität gewährleistet. Dazu liefert die Bibliothek von Pete Biro herausragende Bilder, welche die damaligen Ereignisse sehr gut eingefangen haben. Einige der verrücktesten Rennfahrzeuge finden sich wieder und lassen die Herzen der Rennfans sicher höher schlagen.
Druck und Bindung sind gut, allerdings ist der typische China-Geruch zu spüren. Das verwendete Layout ist sehr modern umgesetzt und erhöht den Spaß an Buch damit durchaus.
Das Buch hinterlässt einen wirklich tollen Eindruck. Man wähnt sich direkt in der Welt der unreglementierten Rennwagen und erfährt echte Insiderinfos. So hat man die Can-Am noch nicht gesehen! Für knapp 50 Euro ist das Buch in Anbetracht des Gebotenen ein unschlagbares Angebot.
Bibliografie:
Titel: Can-Am 50th Anniversary
Autor: George Levy
Umfang: 256 Seiten, 150 Farb- und 200 Schwarz-Weiß-Fotos
Format: 248 x 305 mm
Bindung: gebunden mit Schutzumschlag
Auflage: 10/2016
Preis: £45.00
ISBN-Nr.: 978-0-76035-021-8
Bestellbar beim Verlag unter: www.quartoknows.com
Text: Marco Rassfeld
Fotos: LAT, Marco Rassfeld
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