Zwischen den beiden Weltkriegen war das Automobil auf einem echten Aufschwung und viele Hersteller wollten teilhaben an den steigenden Absätzen. So errichteten unter anderem amerikanische Hersteller auch Montagewerke in Deutschland. Bis heute sind die bekanntesten Vertreter sicher Ford und Opel. Auch die Willys Overland Crossley GmbH stellte in Berlin Automobile her und ein Buch widmet sich diesem Thema.
Das Buch kommt im handlichen und kompakten Softcover und macht schnell die zweisprachige Umsetzung in Deutsch und Englisch deutlich. Schließlich ist der Untertitel schon in Englisch umgesetzt und im Buch finden sich die Texte jeweils nebeneinander in den beiden wichtigen Sprachen. Sicher sind auch einige Käufer in England an dem Buch interessiert. Denn zum Ende stellte WOC (Willys Overland Crossley) auch die Modelle von Austin her. In der Einleitung erfährt der Leser dann zunächst die Hintergründe zum Buch und die persönliche Verbindung von Autor Klaus Gebhardt zu den Modellen von WOC.
Zum Start blickt das Buch auf die Rennen von Charles Jarrott und dazu werden sogar interessante, persönliche Erinnerungen nacherzählt. So wird der Blick auf die damalige Zeit und den Stand des Automobiles sehr deutlich. Gerade die Gordon Bennett Rennen von 1902 und 1904 waren eine große Bühne der damaligen Zeit.
Als nächstes werden die Crossley Brothers vorgestellt, die Pioniere im Bau von Stationärmotoren waren und sich somit schnell einen guten Ruf erwarben. Auch im Bereich der Fleißbandarbeit war Crossley führend, so dass sich sogar Henry Ford davon inspirieren ließ. Unter anderem durch den schon erwähnten Charles Jarott wurden die Crossles Brothers dann zum Bau ihrer ersten Fahrzeuge überzeugt, die einen hohen Standard darstellen sollten. Die Crossley waren so etwas wie die Mercedes aus England. Nach dem ersten Weltkrieg suchte Crossley dann nach Ende der unvermeidlichen Flugzeug-Produktion neue Partner für den Bau von Automobilen. Hier kam dann die Verbindung mit Willys Overland aus den USA zustande, da die neuen Modelle deutlich einfacher und zugleich günstiger werden sollten.
So entstand 1919 die Firma Willys Overland Crossley und ab 1920 wurde mit dem Typ 4 das erste Modelle von Willys in England produziert. Hierzu sandten die Amerikaner einige Fachleute nach England, unter anderem war auch Walter Chrysler mit involviert. Die Produktion der Willys-Modelle wurde durch den Kleinwagen von AJS und den erfolglosen Burney Streamline Car erweitert. Und sogar die Produktion von 24 Bugattis fand in den Werken von WOC statt. Die Auslastung der großen Produktionshallen in Stockport waren trotz dieser Maßnahmen aber nicht befriedigend und daher entschloss man sich zur Errichtung von Zweigfabriken den Niederlanden und Deutschland.
Für die Fertigung in Deutschland wählte man ein Gelände in Berlin-Adlershof. Dieses war am ehemaligen Flugfeld Johannisthal gelegen, wo während des ersten Weltkrieges zahlreiche Firmen in erste Linie Flugzeuge herstellten. Dies wurde den Deutschen nach dem Kriegsende durch den Versailler Vertrag verboten und so wurden viele der großen Werkshallen durch Automobilfabriken genutzt. So waren hier neben Chrysler und Graham-Paige auch die AMBI-Gruppe vertreten. Das AMBI-Budd Presswerk war über lange Zeit ein wichtiger Zulieferer für viele Automobilhersteller in Deutschland. Selbst BMW stellte ab 1929 in einer gemieteten Halle seine ersten Modelle her, den Typ 3/15 auf Basis des englischen Austin 7. WOC pachtete auf dem großen Gelände knapp 20.000 qm Fläche, von denen etwas mehr als 7.000 qm bebaut waren. Es war geplant 145 Mitarbeiter am Standort Berlin einzusetzen und bereitete die Hallen entsprechend den damals schon vorhandenen Vorschriften vor. Ab 1927 wurden schließlich die Modelle Willys Knight und Overland Whippet hergestellt und schon nach weniger als einem Jahr konnte das 1.000 Fahrzeug fertiggestellt werden. Ein durch und durch gelungener Start.
Die englische Firma geriet aber unter dem Einfluss der Weltwirtschaftskrise in Schieflage und so trennte sich Willys Overland von Crossley. Man firmierte aber weiterhin unter dem bekannten Namen. 1933 schließlich ging WOC dann freiwillig in Liquidation und der Standort Deutschland wurde fortan durch den neuen, deutschen Geschäftsführer Carl Adam geleitet. Auch der Einfluss der Nationalsozialisten dürfte hierbei eine Rolle gespielt haben. 1938 konnte Adam dann das gesamte Stammkapital übernehmen und wandelte WOC in eine Einzelfirma um. Diese war für den Verkauf von Automobilen und Teilen ausgelegt und zog bald nach Berlin-Moabit um.
Ein Blick auf das Lieferprogramm und die Fertigungseinrichtungen führt die Leser dann zurück in die Zeit der 20er Jahre. Von den hergestellten Willys- und Overland-Modelle werden einige technische Besonderheiten dargelegt. Zu entsprechenden Stückzahlen hingegen sind keine Information mehr vorhanden. Bis etwa 1930 fertige WOC in Berlin diese Modelle, heute ist keines in Deutschland mehr bekannt.
Aber auch Modelle von Austin wurden bei WOC in Berlin-Adlershof hergestellt. Nachdem der Vertrag mit BMW zur Herstellung der Lizenz-Modelle des beliebten Austin 7 aufgehoben wurde, konnten die Modelle fortan bei WOC produziert werden. Ab 1932 wurden Modelle von Austin hier hergestellt, die auf dem Typenschild eindeutig als Willy Overland Crossley zu erkennen sind. Beliebt waren vor allem die Sportmodelle Nippy und Sporty, die sogar bei einigen Rennveranstaltungen eingesetzt wurden.
Die Stückzahlen der hergestellten Austin-Modelle ist entgegen den Willys Overland-Modelle besser dokumentiert und weist von 1932 bis 1939 insgesamt 602 PKW aus. Dann beleuchtet das Buch auch noch die letzten Jahre von WOC, erst im 1972 wurde die GmbH entgültig aus dem Handelsregister gelöscht.
Zum Abschluss liefert das Buch noch einige Werbematerialien der Austin-Modelle sowie die entsprechenden Zulassungsstatistiken nach Hubraum sortiert.
Fazit: Ein Buch über das bis heute vielen sicher unbekanntes Kapitel der deutsch-englisch-amerikanische Automobilproduktion. In der Masse des Angebots im zweiten Weltkrieg nimmt die Willy Overland Crossley GmbH zweifellos eine Sonderstellung ein und brachte die Modelle der US-Firmen nach Deutschland. Das später sogar Austin-Modelle produziert wurden, machte die Geschichte noch interessanter. Mit lesenswerten Texten und immer wieder eingestreuten, auch oftmals zeitgenössischen Bildern kann der Leser eine echte Zeitreise antreten.
Die einfache Umsetzung des Buches fördert den kleinen Verkaufspreis von lediglich 16 Euro. Ein Betrag den Automobil-Historiker sicher gerne investierten und auch Freunde der Berliner Industrie-Geschichte können zuschlagen. Im Buch werden alle verfügbaren Fakten aufgeführt und bilden somit einen wirklichen interessanten Rückblick auf ein oft vergessenen Baustein in der deutschen Automobil-Produktion.
Bibliografie:
Titel: Austin und Willys aus Berlin
Autor: Klaus Gebhardt
Umfang: 96 Seiten
Format: 170 x 220 mm
Bindung: Softcover
Sprache: Deutsch/Englisch
Auflage: 10/2009
Preis: 16,00 €
ISBN-Nr.: 978-3938426166
Bestellbar beim Verlag unter: www.verlagkraftakt.de
Text: Marco Rassfeld
Fotos: Verlag Kraftakt, Marco Rassfeld
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