Kategorien
Buch

Buch – Porsche Unseen

Design Studies – der Untertitel zu einem neuen Buch von Delius Klasing klärt unmittelbar auf, was den Leser erwartet. Die durch und durch gutdokumentierte Geschichte von Porsche wird hier ausgeblendet und stattdessen stehen bislang größtenteils geheime Design-Studien Im Fokus des Buchs. Somit kann jeder noch etwas wirklich neues über Porsche entdecken, was bei dem Riesen-Literatur-Angebot kaum zu erwarten ist …

Recht geheimnisvoll zeigt sich der Buchtitel …

Das Buch ist im klassischen Hochformat ausgelegt und kann gleich auf dem Titel für neugierige Blicke sorgen. Denn im großen Format zeigt sich die Heckansicht eines für viele Betrachter sicher unbekannten Porsche-Sportwagens. Dieses wurde dazu nahezu perfekt in Szene gesetzt und glänzt unter Lichtstreifen, welche sich im Boden widerspiegeln. Da die gesamte Szenerie im eigentlich schlichten Grau gehalten ist, wird das charakteristische Porsche-Heckleuchten-Band umso mehr betont. Zumal dieses in diesem Fall noch von seitlichen Finnen vollendet wird. Die Buchstaben zum Buchtitel und auch zum kleineren Untertitel sind geschickt im offenen Bereich des Bildes platziert, ohne diese in irgendeiner Art und Weise zu stören. Neben den Autoren findet sich auch noch das Porsche-Logo auf dem Titel wieder. Ein augenscheinlich extrem sorgfältig ausgewähltes Motiv, welches durch einen passenden Rand wie ein einzelnes Bild wirkt. Auch eine Glanzlackierung des Bilder unterstreicht diesen Eindruck nochmals. Auf der Rückseite vom Buch findet sich nur ein kurzer Klappentext wieder, der recht geheimnisvoll auf die zur erwartenden Design-Studien von Porsche im Inhalt hinweist. Dies alles wird präsentiert von Michel Mauer, der als Designchef für den Auftritt der Marke verantwortlich ist. Der Text ist in Deutsch und Englisch vorhanden, was sich natürlich auch im kompletten Inhalt so fortsetzt und somit sicherstellt, dass der Titel viele Freunde der Marke erreichen kann.

Die Design-Prozesse sind sehr vielfältig und kreativ, wie auch ein Blick in die Design-Studios offenlegt.

Das Silicon Valley der Automobilindustrie

liegt schon seit langer Zeit in Zuffenhausen und Weissach.

Michael Mauer

Mit diesem sehr selbstbewussten Zitat vom Designchef startet dann schließlich das Buch und steigert damit sicher nochmals das Interesse auf das Kommende. Die Spannung ist förmlich zu greifen und einen ersten Hinweis auf die enthaltenen Kapitel bringt das Inhaltsverzeichnis. So werden die 15 vorgestellten Studien vier Kategorien zugeordnet, um den Überblick zu erleichtern. Doch vorab gibt es eine rein textliche Einleitung, in der die Designkultur bei Porsche dargelegt wird.
Der Designprozess lautet dann die Überschrift zu einem weiteren, noch übergreifenden und einleitenden Kapitel. Hier erhält der Leser einen sehr nahen Eindruck in die Design-Entwicklung bei Porsche, welche durch eine Mannschaft von mehr als 120 Menschen vorangetrieben wird. Der Standort dieser Abteilung ist seit der Eröffnung im Jahr 1971 in Weissach und kann die hier gegebene Infrastruktur optimal nutzen. Gerade der Blick auf das Übermorgen gibt den Designer hier einen größtmögliche Freiheit um die verrücktesten Ideen auszuprobieren. Geht man nun von dem fernen Übermorgen wieder zurück auf das Morgen, so können vollkommen neue und ungewöhnlich Designs entstehen, welche sich vom den heute aktuellen Designs deutlich unterscheiden können. Dabei darf man das Heute aber nie aus den Augen verlieren, und gerade bei Porsche sicher auch nicht die Tradition und Geschichte der Marke und der Modelle. Nicht ohne Grund ist der 911 seit vielen Jahren erfolgreich im Programm und wurde immer behutsam weiterentwickelt. Neben dem hochinformativen Text finden sich hier schon viele Bilder wieder, welche die Prozesse und Entwicklung gut darstellen.

Viele Modelle greifen auf Vorlagen aus der Geschichte von Porsche zurück …

Case Studies bringt dann schließlich die Visionen auf das Papier und startet mit den Spin-Offs und Derivaten. Mit vielen Varianten hat Porsche schon immer viel Erfahrung und daher ist dieses Thema auch zum Testen von neuen Ideen gern gesehen. Nicht ohne Grund laufen die vielen Sondermodelle, die häufig auch limitiert wurden, besonders erfolgreich. Der Boxster Bergspyder ist dann das erste Modell, welches sich im Buch dem Leser präsentieren darf. Auf Basis des sportlichen Einstiegs-Roadsters wurde im Jahr 2014 ein fahrbarer Prototyp entworfen, der sich auch mit der Motorsport-Tradition der Zuffenhausener offen auseinandersetzt. So orientiert sich die Studie am 909 Bergspyder, der mit einem Fliegengewicht von nur 384 kg am Start der damaligen Bergrennen stand. Bis heute eine Legende des extremen Leichtbaus und eine Vorlage zur Auslotung des aktuell machbaren. Bei der Studien steht dem Gewicht von 1.130 kg stattliche 393 PS gegenüber, so dass sich ein sehr gutes Leistungsgewicht von 2,2 Kilogramm/PS ergibt. Als eine der wenigen Studien im Buch ist diese sicher einigen bekannt, denn Porsche präsentierte die Extrem-Version des Boxsters im Rahmen des Bergrennens in Gaisberg im Jahr 2019.
Jedes Modell wird im Buch im Übrigen immer mit dem Jahr und der Entwicklungsstufe vorgestellt. Einer kleinen textlichen Ausführung zur Idee und zur Geschichte hinter der Studie folgen eine unterschiedliche Anzahl an Bildern, welche die Modelle aus unterschiedlichen Blickwinkeln zeigen. Dabei sind die Abbildungen ausschließlich im großen Format platziert, füllen mindestens eine Seite und sind dazu immer umgeben von einem weißen Rahmen. So entsteht hier der gewollte Eindruck eines großen Bilderbuches.

Auch radikale Extrem-Studien wie ein Formel E-Straßen-Rennwagen dürfen bei Porsche erdacht werden.

Gibt es zudem noch Verbindungen zu Modellen aus der Vergangenheit von Porsche, so werden diese auch immer mit einem Bild als Vergleich dargestellt. So kann man oft erkennen, dass die Tradition eine große Rolle in der Entwicklung der Modelle auch für die Zukunft spielt. Zugleich ist dies natürlich auch ein Zeugnis der hohen Innovationskraft der vergangenen Modelle von Porsche und ebenso Ansporn beim Erschaffen der neuen, zukünftigen Modelle.
Es folgen unter dem Label Spin-Offs noch Neuinterpretationen des 550 Spyder alias Le Mans Living Legend aus dem Jahr 2016 und des 911 SC „Safari“ alias 911 Vision Safari aus dem Jahr 2012 wieder. Mit dem Macan Vision Safari gibt es dann noch einen weiteren, Spin-Off der aktuellen Baureihe, welches ohne echten Vorläufer das Thema des Offroad-Fahrens als 1:3-Modell interpretiert.
Little Rebels – kleine Sportwagen sind dann das zweite Thema unter dem drei Modelle vorgestellt werden. Hierbei finden sich kleine aber extrem sportliche Modell-Ideen wieder, bei denen sich zunächst der 904 Living Legend zeigt. Dieser wurde als Hartmodell im Maßstab 1:1 im Jahr 2013 umgesetzt und man kann schnell feststellen, dass sich einige Details in den heutigen Produkten von Porsche wiederfinden lassen. Auch das ist eine Aufgabe der Design-Studien die immens wichtig ist um das Marken-Profil immer weiter zu entwickeln und somit entsprechend zu schärfen. Die Vision 916 ist optisch sehr extrem ausgelegt und wäre ein kaum zulassungsfähiger Sportwagen der sehr begehrenswert wäre. Mit dem Vision Spyder von 2019 hingegen kann man eventuell schon Details im Design erkennen, welche in der jüngeren Zukunft in den Serienmodellen wieder zu finden sein könnten. Gerade die hochkantige Scheinwerfer-Grafik ist eine interessante Alternative.

Die Bullis vom Porsche Renndienst sind legendär, warum also nicht eine eigene Neu-Interpretation?

Hypercars sind schon länger ein Thema, das nicht nur bei den Fans immer wieder mit hoher Begeisterung und Aufmerksamkeit bedacht wird. Denn Hypercars stehen quasi an der Spitze der Nahrungskette der Automobile und setzen in allen Belangen Highlights. Auch Porsche kann hier, angefangen mit dem 930 Turbo über den 959 bis hin zum 918 Spyder einige Beispiele aus ihrer Modell-Historie liefern. Somit verwundert es auch kaum jemanden, dass unter diesem Kapitel die meisten Design-Studien aufgeführt werden. Mit dem 919 Street wurde versucht den erfolgreichen Rennwagen aus der WEC für die Straße zu adaptieren, was aus optische Sicht exzellent gelungen ist. Auch das Titelbild des Buches zeigt dieses Studie, welche schon radikal, aber auch nicht realitätsfremd gestaltet wurde. Leider blieb es in diesem Fall bei einem 1:1 Modell, welches aber schon unterschiedliche Optionen in Bezug auf die Aerodynamik vorsieht. Der 917 Living Legend ist dann die Reinkarnation des Designs des Le Mans-Siegers von 1970. Ein unfassbar begehrenswertes Modell und konnte unter anderem auch schon im Porsche Museum im Stuttgart bestaunt werden. Auch die weiteren vier Modelle werden jedes Porsche-Herz höher schlagen lassen, wenn auch die beiden Hartmodelle im Maßstab 1:3 des Vision E und des Vision 920 sehr extrem ausgelegt wurden.
Zum Schluss blickt das Buch dann noch auf What’s next? – wie könnten die Modelle Porsches von morgen aussehen. Die beiden Modelle des Vision Turismo und des Vision »Renndienst« blicken in einigen Teilen deutlich über der üblichen Tellerrand und entwickeln dadurch ihren ganz eigenen Charme. Welcher Hobby-Rennfahrer wurde seine Rennwagen nicht gerne mit einem Porsche-Bulli zu den Rennen ziehen?

Fazit: Ein Porsche-Buch mit vielen, noch nicht gesehenen Modellen ist fraglos eine Besonderheit auf dem ansonsten vollkommen überschwemmten Porsche-Buch-Markt. So kann hier jeder noch etwas Neues und damit auch Besonders und auch Einzigartiges entdecken. Der Blick auf eine Auswahl der neusten Design Studien, die sich in unterschiedlichen Entwicklungsstufen befinden ist somit ein echtes Highlight für alle Automobil-Interessierten. So kann man durch die reiche Bebilderung bei etwas älteren Studien Merkmale von den heutigen Serien-Produkten von Porsche wiederfinden. Und wenn man dieses Buch in der Zukunft wieder mal herausholt sind vielleicht auch noch weitere Details in die Fahrzeug-Palette eingeflossen. Man darf hier auch durchaus gespannt sein. Highlights gibt es in jedem Fall viele zu entdecken, wobei der Fokus auf den sportlichen und exklusiveren Modellen liegt.
Der Preis von knapp unter 70 Euro ist zwar generell kein Sonderangebot, aber was ist dem Porsche-Fan ein exklusiver Blick in die geheimen Design-Studios wert? Dieser ist einfach nicht zu bezahlen oder in Werten aufzuwiegen. So erklärt sich auch, dass inzwischen die dritte Auflage im Druck ist und der Titel somit in Kürze wieder erhältlich sein wird. Ein voller Erfolg also – vollkommen zu Recht.

Bibliografie:
Titel: Porsche Unseen – Design Studies
Autor: Stefan Bogner
Umfang: 328 Seiten, 190 Fotos und Abbildungen
Format: 216 x 286 mm
Sprache: Deutsch, Englisch
Bindung: Gebunden
Auflage: 12/2020
Preis: 68,00 €
ISBN: 978-3-667-11980-3
Bestellbar beim Verlag unter: www.delius-klasing.de

Text: Marco Rassfeld
Fotos: Delius Klasing, Porsche, Marco Rassfeld

Eine Antwort auf „Buch – Porsche Unseen“