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Buch – Ferrari 512S/M – Owners‘ Workshop Manual

Ende der 60er Jahre beschloss die FIA ein neues Reglement für die Sportwagen-Weltmeisterschaft, in der die Rennwagen beim Hubraum auf maximal 3 Liter beschränkt wurden. Doch dies verursachte sehr hohe Kosten und so wurden wenig später die zweite, auf 5 Liter Hubraum beschränkte, Klasse mit einer notwendigen Homologations-Auflage von 25 herzustellenden Exemplare bedacht. Neben Porsche mit dem 917 schufen auch die Autobauer aus Maranello ein Rennwagen dieser Klasse, den 512 S. Bei Haynes Publishing ist ein Buch über diesen speziellen Typen erhältlich, welches auch auf den Nachfolger 512 M im Fokus hat.

Das Buch ist kompakt ausgeführt und zeigt auf dem Titel eine technische Durchsicht auf einem 512 S und unterstreicht damit den Anspruch des Buches. Denn als Owners‘ Workshop Manual wirft man als Leser einen genauen Blick unter die Hauben und beschriebt auch die Feinheiten der Technik. So passt auch die schlichte und eine einfache Aufmachung des Buches zum Anspruch und auf einen Schutzumschlag wurde sicher bewusst verzichtet. Nach der Widmung folgt dann das Inhaltsverzeichnis in dem schnell ein erster Eindruck über das Gebotene entsteht und zudem zeigt sich der Rennwagen gleichzeitig schon auf einem großformatigen Foto und auch eine Detailaufnahme des Motors ist zu entdecken. In der Einleitung blickt der Autor dann auf die Hintergründe zur Entstehung des 512 S, der als direkte Antwort auf den Porsche 917 gelten kann. Allerdings hatte der Hersteller aus Zuffenhausen schon eine Saison Vorsprung und der 512 S musste aus diesem Grund auch unmittelbar funktionieren um eine Chance gegen den Porsche zu haben. Die Evolution stellte im zweiten Einsatzjahr dann der 512 M dar, Ferrari hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon offiziell aus dem Sportwagen-Rennsport zurückgezogen um sich mit vollen Elan um die Einsätze in der Formel 1 zu kümmern. Der Einsatz erfolgt nunmehr unter der Flagge von Privatteams, die den 512 S und 512 M aber in vielen Rennen noch einsetzten.

Kapitel 1 blickt dann unter dem Titel The Ferrari 512 story auf die Einsätze der Rennwagen im Laufe der Jahre 1970 und 1971. Hierbei wird aber keinesfalls die wichtige Grundlage zur Entstehung des 512 vergessen. So blickt das Buch zunächst zurück auf die Entwicklungen bis zur Einführung der Gruppe 4 im Jahr 1968 zu dessen Homologation eine Produktion von 50 Exemplare innerhalb von 12 Monaten nachzuweisen war. Bereits 1969 senkte man diese Anzahl auf 25 Exemplare und dies nutzte Porsche unter der Regie von Ferdinand Piëch um den 917 zu erschaffen. Zu Abnahme im April 1969 präsentierte man den Offiziellen der CSI-Delegation dann die fertigen 25 Exemplare, da bei einem Termin im März die Präsentation von drei fertigen Fahrzeugen und weiteren 917 im Aufbau nicht ausreichte. Diese strenge Kontrolle war durchaus ungewöhnlich und als ein Jahr später der 512 S von Ferrari homologiert werden sollte, waren nur 17 Exemplare komplett fertiggestellt. Dennoch gelang die Homologation, denn auch seitens der Regelhüter suchte man dringend auch einem großen Gegenspieler gegen Porsche. Am 6. November 1969 wurde der 512 S schließlich offiziell präsentiert und ebenso die Teilnahme von Ferrari an der Markenweltmeisterschaft 1970 festgezurrt. Seinen ersten Auftritt hatte der Ferrari dann im Januar beim 24 Stunden Rennen in Daytona, bei dem gleich fünf 512 S am Start standen. Am Ende sah nur das vom Werk eingesetzte Fahrzeug das Ziel, konnte aber dafür immerhin einen dritten Platz einfahren. Diesen ersten Erfolg übertrumpfte der 512 S gleich beim zweiten Einsatz mit einem Sieg bei den 12 Stunden in Sebring. Diesen Erfolg konnte Ferrari im Verlauf des Jahres nur noch bei einem Rennen wiederholen, dem nicht zur Weltmeisterschaft zählenden 9-Stunden-Rennen in Kyalami. Hier kam zum zweiten mal schon der verbesserte 512 M zum Einsatz, den Ferrari in der laufenden Saison entwickelt hatte. Beim ersten Auftritt beim letzten Rennen der Saison auf dem Österreichring konnte der 512 M schon mit schnellen Zeiten beeindrucken. Trotz der scheinbaren Möglichkeiten folgte aber der offizielle Ausstieg seitens Ferrari und der große Erfolg blieb auch 1971 aus. Das Buch beschreibt alle Rennen, bei denen der 512 S und 512 M zum Einsatz kam und schildert kurz den jeweiligen Verlauf. Auch die weiteren Einsätze zum Beispiel in der amerikanischen CanAm-Meisterschaft werden kurz dargestellt. Erfreuen wird sich der Leser aber in jedem Fall auf die zahlreichen Bilder, welche die Rennwagen in Aktion zeigen.

Einen Blick unter das Blech liefert dann das zweite Kapitel unter dem Titel Anatomy of the Ferrari 512. Mit einer Großaufnahme des modellbezeichnenden Motors wird gleich zum Start des Kapitels deutlich, dass der Leser mit vielen Details rechnen kann und vermutlich oft auch einmalige Einblicke erhalten wird. Das klare Ziel des 512 war von Beginn klar definiert, so wollte Ferrari gegen den Porsche 917 antreten und den geschickten Schachzug von Ferdinand Piëch mit der Produktion der erforderlichen 25 Exemplaren kontern. Ansonsten waren in der damaligen Gruppe 5, die seit 1970 so hieß, keine ernsthaften Gegner in Sicht und man hatte durchaus die Hoffnung auf einige Siege und einen schnellen Erfolg. Porsche hatte aber einen entscheidenden Vorteil mit einer Saison Vorsprung den 917 schon auf der Rennstrecke verbessert zu haben. In seinem ersten Einsatzjahr war der 917 keinesfalls ein einfach zu händelnder Rennwagen, vielmehr wurde erst zur zweiten Saison im Jahr 1970 ein beherrschbarer Rennwagen daraus. Ferrari setzte Porsche die Kraft eines V12-Motors mit 5-Liter Hubraum entgegen und man darf davon ausgehen, das die Italiener bei der Leistung die Nase vorn hatten. Die Ursprünge dieses Motors lassen sich zurückverfolgen bis in die 50er Jahre. Hier trat Ferrari in der Formel 1 mit dem 375 an und später wurde der zunächst 4,5-Liter große Zwölfzylinder noch vergrößert. Im 375 Plus aus dem Jahr 1954 verfügte er über einen Hubraum von 4,9-Liter und wurde natürlich für seinen Einsatz im 512 noch maßgeblich überarbeitet. Der 512 hatte keinen echten Vorgänger, aber der 612 Can-Am kann eine gewisse Verwandtschaft nicht leugnen. Das Buch blickt nach diesen Erkenntnissen in der Einleitung des Kapitels dann zunächst auf das Design und die Karosserie. Der langjährige Partner Pininfarina hatte in diesem Fall aber nicht seine Hände im Spiel, vielmehr entstand das Design unter der Regie von Mauro Forghieri direkt bei Ferrari. Um das Gewicht zu reduzieren kam viel Fiberglas zum Einsatz, an einigen Bestandteilen der Karosserien gar zum ersten Mal bei einem Ferrari. Natürlich gab das Reglement einige zu berücksichtigende Bestandteile vor und trotzdem gelang Ferrari ein bestechend eleganter Entwurf. Auch die Weiterentwicklung des 512 S zum 512 M wird thematisiert und so kommen einige interessante Details zum Vorschein und vieles wird auch bildlich dokumentiert. Die weitere umfassende Darstellung lässt kein Teil des Rennwagens vermissen und so blickt das Buch noch speziell auf das Chassis, den Motor, die Kühlung, die Kraftübertragung, die Lenkung sowie die Aufhängung. Dazu gibt es tiefe Einblick in die Bremsen, die Räder und Reifen, das Interieur, den Tanks und den Lampen und der Elektrik. Eine wirkliche beeindruckende Aufschlüsselung sämtlicher technischer Details, bei den auch die entsprechende technische Daten wie selbstverständlich nicht fehlen.

Sowohl die Rennhistorie als auch die Technik hat das Buch dem Leser nun schon nähergebracht und um die Darstellung des 512 S und 512 M zu vollenden bietet das Buch noch einen Blick aus erster Hand auf den italienischen Porsche 917-Konkurrenten. So kommen zunächst die Ingenieure zu Wort und berichten von ihren persönlichen Erfahrungen mit den Ferrari 512. Schon in den vorherigen Kapiteln kamen immer wieder auch direkte Zeitzeugen zu Wort und trugen an der umfangreichen Darstellung maßgeblich mit bei. Was es aber nun bedeutete den 512 zur damaligen Zeit einzusetzen, dazu blickt das Buch zunächst auf das amerikanische NART-Team. Das Team von Luigi Chinetti, der maßgeblich als am Erfolg von Ferrari in den USA beteiligt gewesen war, setzte unterschiedlichste Rennwagen von Ferrari ein und der damalige Teammanger Dick Fritz liefert dem Buch seine wertvollen Erinnerungen. Im Jahr 1970 setzte NART sechs Ferrari-Rennwagen ein, neben einem 512 S kamen auch zwei 312P, ein Daytona, ein 275 GTB/C und ein 275 LM zum Einsatz. Neben Fritz tragen auch weitere damalige Teammitglieder zu einer tollen Darstellung der Renneinsätze bei und liefern einige tolle Anekdoten. Ein weiteren 512 setzten das Penske Racing Team ein, in diesem Fall einen 512 M. Der blaue Ferrari war ein echter Blickfang und wurde durch das erfahrene Team in unterschiedlichen Bereichen optimiert um eine bestmögliche Performance zu gewährleisten. So hatte auch der fahrende Ingenieur Mark Donohue einen großen Anteil an der Abstimmung des 512 M und wurde zum Stammfahrer. Auch hier finden sich viele einmalige Erinnerungen und Anekdoten die einen hohen Lesespaß garantieren. Das Kapitel blickt auch noch auf heutige Einsätze des historischen Rennwagens und die niemals einfache Beschaffung von Ersatzteilen.
Der Blick aus der Sicht der Besitzer ist in diesem Zusammenhang ebenfalls wiederzufinden und ist zugleich die Basis zum nächsten Kapitel. Neben den Verbleib des einmaligen Sunoco-512 M von Penske Racing Team teilt auch Nick Mason seine Erfahrungen mit seinem 512 S dem Leser mit. Der Schlagzeuger von Pink Floyd hat eine bemerkenswerte Sammlung von diversen Automobilen in der sich unter anderen auch ein 512 S befindet. Wie schwierig es ist einen der wenigen 512 S oder 512 M zu erwerben wird dann auch noch in einem Extrakapitel erörtert, denn selbst auf den beliebten Auktionen ist der Ferrari 512 eher selten zu finden. Einen besonderen Blick wirft das Buch dann noch auf das Chassis 1024, welches 2008 für 2.090.000 Euro versteigert wurde.

Eine ganz besondere Sicht auf einen Rennwagen haben natürlich immer die Rennfahrer, welche den Ferrari 512 im echten Renneinsatz bewegen durfte. Auch hier wird in einem eigenen Kapitel dieser Blick aus dem Cockpit von Sam Posey, Mario Andretti und Derek Bell vorgestellt. Einen kleinen Ausflug in die Filmproduktion für den heute anerkannten Klassiker Le Mans darf hierbei nicht fehlen. Zumal hier bekanntermaßen auch echte Rennfahrer die Szenen fuhren. Auch der Blick auf das heutige Fahren in einem Ferrari 512 fehlt keinesfalls und mit Brain Redman und Mark Hales berichten zwei weitere Fahrer des 512 von ihren persönlichen Erfahrungen.
Im abschließenden, sechsten Kapitel stellt das Buch dann alle Chassis des 512 S und 512 M vor und verfolgt mit einem kurzem Text ihre Geschichte. Statt der vom Reglement vorgeschriebenen 25 Exemplare wurden tatsächlich nur 22 Exemplare fertiggestellt und viele 512 S wurden in der Vergangenheit zum 512 M umgebaut. Einige davon sind inzwischen wieder im ursprünglichen 512 S-Trim zurückgebaut worden und somit ist die erste Verwirrung schon komplett. Doch das Buch klärt gekonnt über jede Geschichte auf und somit ist dies Register eine wichtige Informationsquelle für die Fans des 512 S und 512 M.

Fazit: Es ist durchaus beeindruckend mit welcher Tiefe es dem Haynes Verlag gelingt über einen exotischen, ehemaligen Rennwagen zu berichten. Das Buch beinhaltet neben der Renngeschichte in den Jahren 1970 und 1971 auch einen detaillierten Blick auf die Technik. Dieser wird mit vielen erläuternden Aufnahmen geschmückt und der Leser kann sich fast so fühlen, als wenn er den 512 vor sich in der Werkstatt hätte. Während bei der Rennhistorie einige tolle historische Aufnahme das passende Renngeschehen aufzeigen. Dann noch der Blick der Menschen und Teams, die mit dem Rennwagen in der Vergangenheit oder auch in der Gegenwart in direktem Kontakt waren und ihre Meinungen dazu schildern. Eine echte Fundgrube für scheinbar unfassbare Anekdoten. Das abschließende Chassis-Register liefert dann auch noch alle Informationen zu jedem gebauten Modell und runden das Buch gut ab.
Die technische Umsetzung ist solide und ohne Auffälligkeiten, so dass das Buch zum Preis von knapp 25 Euro ein echtes Schnäppchen darstellt. Die unglaublichen vielen Informationen und Meinungen zum Ferrari 512 S und 512 M sind einmalig und liefern alles Wissenswert zum italienischen Konkurrenten des ebenso legendären Porsche 917. Das der Ferrari 512 dazu noch ein besonders eleganter Rennwagen war und ist, mag die Freude auf das Buch und die vielen Aufnahmen nochmals erhöhen.

Bibliografie:
Titel: Ferrari 512S/M – Owners‘ Workshop Manual
Autor: Glen Smale
Umfang: 160 Seiten
Format: 272 x 210 mm
Sprache: Englisch
Bindung: gebunden
Auflage: 05/2016
Preis: £22.99
ISBN-Nr.: 978-0-85733-787-0
Bestellbar beim Verlag unter: www.haynes.com

Text: Marco Rassfeld
Fotos: marcgcphotography.com, Marco Rassfeld