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Buch – Borgward Isabella

Der Zeit voraus – dies war die Isabella fraglos schon bei Ihrer ersten Vorstellung im Jahr 1954. Wobei hier noch der Name des neuen Mittelklasse-Modells noch schlicht Hansa 1500 hieß. Diese und weitere Geschichten rund um dem bis heute wohl bekanntesten Automobil von Borgward bringt eine neue Buch aus dem Motorbuch Verlag ans Licht.

Wer schaut da aus dem Schuppen hervor?

Auf dem Buchtitel blickt dann natürlich ein Borgward Isabella den Betrachter an. Dieser scheint sich hinter einer Tür zu verstecken und scheint doch etwas zu verbergen. Dazu kommt der Titel des Buches mit einer teilweise recht verspielten Schrift daher und nimmt auch das Rot vom Lack der Isabella auf. Natürlich finden sich auch noch das Verlagslogo und der Autor auf dem Titel wieder und machen diesen komplett. Darüber hinaus wurde versucht mit einer partiellen Lackierung einiges hervorzuheben. So sind Buchtitel und auch der Untertitel sowie der Borgward-Schriftzug und auch der -Rhombus auf dem Automobil mit einer Glanzlackierung versehen, aber leider fällt diese wegen des zu großen Kontrastes zu den Hintergründen kaum auf. Auf der Rückseite finden sich dann ein recht umfangreicher Klappentext wieder, der schon erste Hintergründe zum Entstehen des Buches offenlegt. So hatte der bekannte Motor-Journalist und Autor Christian Steiger ein Werkstelefonbuch aus dem Jahr 1959 zur Verfügung und begann schon Ende der 1990er Jahre mit den ersten Recherchen. Dazu findet sich noch ein weiteres Bild der Isabella vom Titel, womit sich der Eindruck verfestigt, dass es sich um ein besonderes Fahrzeug handeln muss. Kenner haben natürlich schon längst erkannt, dass es sich um den Prototypen des Isabella Coupé handelt, der schon am 1. Dezember 1956 mit dem immer noch angebrachten Kennzeichen HB AU 380 angemeldet wurde. Zu Weihnachten schenkte Carl F. W. Borgward dieses besondere Fahrzeug seiner Frau. Bis heute ist es tatsächlich in Familienhand. Somit kann man von einer durchaus gelungenen Motivwahl reden, den das elegante Coupé war das Highlight der Modellreihe und der Prototyp schuf die notwendige Basis hierzu.

Die Sichtung eines Prototypen auf der Autobahn war die erste Berichterstattung der späteren Isabella.

Nach dem Öffnen des Buches kann man noch einen passenden roten Vorsatz entdecken, ehe mal schnell beim Inhaltsverzeichnis landet. Hier lassen sich neben dem Vorwort und dem Anhang auch noch zwölf Kapitel entdecken, in denen das Buch die Geschichte der Isabella mit vielen Details aufdecken möchte. Im Vorwort vom Autor geht dieser nochmals auf die Entstehung ein, an deren Start viele Besuche bei ehemaligen Mitarbeiter von Borgward standen. Hierzu machte sich Christian Steiger im Jahr 1997 auf den Weg um noch echte und heute nicht mehr zu wiederholende Erinnerungen aus erster Hand zu erhalten. Schon damals waren 36 Jahre vergangen seit dem die Firma Borgward geschlossen wurde. Daraus entstand das erste Buch des Autors über die Isabella, noch mit dem Untertitel Fräuleinwunder. Dieses ist inzwischen schon längst vergriffen und die immer noch zahlreichen Borgward-Enthusiasten wünschten sich schon länger eine Neuauflage. Natürlich deutlich erweitert und überarbeitet – dies entspricht dem nun vorliegenden Buch. Eine schon tolle Einstiegs-Story, welches auch die vorhandene Hingabe zu dem Thema verdeutlicht. Geschmückt wird dies schon von einer zeitgenössischen Farbaufnahme mit einem weiteren Isabella Coupé.
Zigarren vom Boss lautet dann die Überschrift zum ersten Kapitel des Buches und blickt auf den ebenso ungewöhnlichen wie charismatischen Chef Carl F. W. Borgward. Dieser hatte immer einen enormen Einfluss auf viele Belange der Modell-Politik seiner Stamm-Marke, die seinen Namen trug. Kurz nach dem Krieg gründete Borgward gleich drei unabhängige Firmen, neben Borgward auch Goliath und Lloyd um mehr Zugriff auf wichtige Rohstoffe zu erhalten. Durch verschiedenste Zitate aus der Presse und auch von Wegbegleitern werden unterschiedlichsten Szenen dem Leser dargeboten um seine polarisierende Persönlichkeit besser zu verstehen. Das alles wird unterstützt von einigen Aufnahmen Borgwards‘ aus unterschiedlichen Jahren.

Eine reiche Bebilderung sorgt für viele, zeitgenössische Einblicke in die damaligen Zeiten.

Ein Mann will nach oben, so der Titel zum zweiten Kapitel, erzählt dann folgerichtig von der Zeit vor Isabella und die Bestrebungen von Borgward sich als Unternehmer zu etablieren. So war sein erstes Fahrzeug der sogenannten Blitzkarren, der ab 1926 als Goliath beeindruckende Verkaufszahlen erreichen konnte. Mit dieser Basis wurde man sogar recht schnell der Markführer bei den kleinen Nutzfahrzeugen und übernahm Ende der 1920er Jahre die Marke Hansa-Lloyd, die am Rande der Pleite standen. Währenddessen wurde der Goliath auch mehr Richtung Automobil getrimmt und debütierte unter den Modellnamen Pionier, der aus einer Holzkonstruktion bestand, die mit Kunstleder überzogen war. Borgward nutzte die Produktionsstätte um seinen Traum von eigenen Automobil zu verwirklichen. Schnell wurden weitere Modelle vorgestellt, sowohl unter der Marke Borgward als auch als Hansa. Der zweite Weltkrieg sorgte aber für herbe Rückschläge, denn sowohl die Produktion in Bremen-Osterdeich als auch das neue Werk in Sebaldsbrück wurden durch Bombenangriffe massiv zerstört. Doch selbst hiervon ließ sich Borgward wohl nicht beeindrucken, obwohl es durchaus unterschiedliche Aussage zu seinen ersten Gedanken nach der Wiederkehr aus amerikanischer Gefangenschaft gibt. Das Buch verschweigt im übrigen auch nicht die Verbindungen von Borgward zu der politischen Führung und deren Umgang mit Kriegsgefangenen, die auch in Bremen zur Produktion von Zugwagen eingesetzt wurden. Mit dem Hansa 1500 startete Borward die Nachkriegsproduktion mit einem komplett neuen und sehr modernen Automobil. Dieser kann heute als Vorgänger der Isabella genannt werden und verfügte schon über eine moderne Ponton-Karosserie und einige technischen Feinheiten. Auch im Motorsport war Borgward aktiv und selbstverständlich waren auch Kleinwagen im Angebot, um auch die hier hohe Nachfrage befriedigen zu können.
Schon in diesem zweiten Kapitel zeigt sich die generelle Berücksichtigung vieler Fotos, die ausnahmslos zeitgenössisch sind und so auch die damalige Situation sehr gut widerspiegeln. Das Layout wurde zweispaltig umgesetzt, aber den Bildern wird immer wieder auch die Möglichkeit gegeben die volle Breite beider Spalten zu nutzen. Somit gibt es neben den gut geschriebenen Texten auch viele Aufnahmen zu entdecken, welche eine sehr gelungene Kombination darstellen. Die dazugehörigen Bildunterschriften klären zudem kompetent über den Inhalt auf.

Auch verschiedenste Werbemotive oder auch Magazintitel mit dem Bezug zu Borgward finden sich im Buch wieder.

Kapitel 3 trägt den Titel Das Wunder von Bremen und hat nix mit den Fussball-Verein Werder Bremen zu tun. Vielmehr kann man hier die Entwicklung der Isabella in den Jahren 1953 bis 1956 entdecken und nachvollziehen. Das Kapitel startet aber mit der Geschichte eines Borgward Isabella-Käufers der ersten Stunden, denn Gabriel Rieth kaufte sich schon am 12. Juni 1954 seinen Borgward Hansa 1500. So hieß das Modell welches offiziell an genau diesem Tag beim lokalen Händler vorgestellt wurde. Diese Geschichte verdeutlicht beispielhaft die Begeisterung, welche der neue Borgward bei den potentiellen Käufern auslosen konnte. Viele Bestellungen waren eigentlich Blindkäufe und man ließ sich von den gelungenen Formen durchaus verführen. Einige weitere Geschichte sorgen für eine sehr kurzweiliges Kapitel, welches die extrem schnelle Entwicklung des neuen Automobils offenlegt. Man kann einige Prototypen im Bild entdecken und auch einen Blick in die Produktion werfen. Zudem zeigt der Text oftmals die damals noch besonderen Verhältnisse auf, denn ein Autokauf war ein echtes Highlight und viele Käufer erinnern sich noch heute an ihre damaligen Fahrzeuge. Nicht minder interessant ist auch die Entstehung des Namens Isabella, der bei einer Pressekonferenz besiegelt wurde. Bei den vielen Fragen der Presse antwortete ein Techniker “ … unsere Isabe … äh, nein, unserem Hansa 1500″. Dies gefiel dem Darmstädter Fachjournalisten Carl-Otto Windecker gut, das er vorschlug diesen Namen beizubehalten. Daraufhin willigte Carl F.W. Borgward schließlich ein und der Name wurde nun auch offiziell genutzt. Dazu lassen sich auch Neubauten von Automobil-Häusern entdecken und auch einige Prominente konnte sich dem Charme des neuen Borgward nicht entziehen. Und auch die gesamte Modellgeschichte ist hier durchaus wiederzufinden, denn so wurde 1955 die betont sportliche Isabella TS vorgestellt. Heute kann man sich durchaus als Vorläufer der späteren BMW-Limousinen sehen. Nach dem Ende von Borgward ging im übrigen eine stattliche Zahl der Ingenieure aus Bremen nach München zu BMW. Auch der Combi darf natürlich nicht fehlen und findet sich hier ebenfalls wieder, aber auch die durchaus vorhandenen Qualitätsprobleme kurz nach dem Produktionsstart werden nicht verschwiegen. Ebenso wie die Cabrio und Coupé-Varianten von externen Karosserie-Schneidern. Es gibt wirklich unglaublich viel zu entdeckend …

Die Presse berichtete größtenteils positiv über die Isabella, es gab nur wenige Kritikpunkte.

Doch das Buch hat noch viel mehr zu bieten, denn schließlich sind hiermit nur die ersten drei Kapitel beschrieben, auf denen noch neun weitere folgen, um die gesamte Geschichte der Borgward Isabelle zu erzählen.
Als Tochter aus besseren Haus wurde oftmals das sehr elegante Coupé der Isabella gesehen und bis heute ist dieses Fahrzeug fraglos das Highlight der Modellreihe. Mit einer besonders gelungen Seitenlinie konnte das Coupé auch wieder viele Prominente begeistern, was auch dazu beitragen sollten, dass dieses Modell hoch angesehen wurde. Im Buch kann man auch die Original-Pressemitteilung vom November 1956 entdecken, was für die vielen Fans sicher ein Highlight sein wird. Ebenso begeistern kann aber auch hier die reiche Bebilderung, die dafür sorgt, dass man sich auf einigen Seiten wie in einem Familien-Album fühlt.
Gute Zeiten, schlechte Zeiten ist dann die Überschrift welche auf die späte Isabella der Jahre 1957 bis 1961 blickt. Danach war die Marke Borgward nicht mehr existent und hier kann der Leser sich zeitweilig so fühlen wie in einem Wirtschaft-Krimi, denn die Umstände wie es zur Aufgabe Borgwards kam sind bis heute nicht vollumfänglich geklärt. Denn in den Kammern der Stadt Bremen wurde die Übernahme der Werke beschlossen, aber scheinbar nicht um diese zu retten, heute kaum vorstellbar. Die Ingenieure entwickelten das Modell aber beständig weiter und ließen die Isabella zum Schluss fast perfekt wirken. Wobei noch erwähnt werden darf, dass die Isabella immer noch modern wirkte.
Das Buch bietet aber immer noch viel mehr und blickt noch auf die Werbung, welche die Isabella den potentiellen Käufern schmackhaft machen sollte. Dazu gibt es auch das Echo der damaligen Presse zu lesen und eine zeitgenössische Studie mit 1.000 Fahrer der Isabella liefert noch mehr interessante Informationen. Dann zeigen sich noch die möglichen Nachfolger und auch die Neuinterpretation in Form des Isabella Concept, welches auf der IAA 2017 vorgestellt wurde. Welches gleich zu den aktuellen Modelle der Marke überleitet, welche sich aktuell in chinesischer Hand befindet und SUV’s im Angebot hat. Eine Kaufberatung und ein Anhang mit dem Überblick über die technischen Daten, den Preisen, der Chassis-Nummern, den Produktionszahlen und auch den Änderungen während der Laufzeit beenden schließlich das Buch.

Fazit: Fraglos hat die Borgward Isabella eine besondere Stellung in der deutsche Automobil-Geschichte. Sie konnte die damaligen Käufer auf vielfältige Art und Weise überzeugen und dem Charme kann man heute auch nicht so recht entfliehen. Da kommt ein Buch über das erfolgreichste Modell von Borgward für viele Fans wie gerufen und erfreulicherweise lässt sich feststellen, dass dieses durch und durch gelungen ist. Der Autor zeigt sein Können in allen Belangen und kann mit den Texten die Leser fesseln, so dass der Titel erstaunlich schnell verschlungen ist. Dazu überzeugt auch die hohe Anzahl an zeitgenössischen Bildern, welche die Texte unterstützen und viele Details zum Vorschein bringen.
Der Preis von knapp unter 40 Euro ist das Buch in jedem Fall wert, denn es ist sozusagen das Standardwerk zur Borgward Isabella und somit unverzichtbar! Ein absolutes Must-Have für alle Automobil-Begeisterten.

Bibliografie:
Titel: Borgward Isabella – Der Zeit voraus
Autor: Christian Steiger
Umfang: 256 Seiten, 250 Bilder
Format: 230 x 265 mm
Bindung: gebunden
Auflage: 02/2020
Preis: 39,90 €
ISBN: 978-3-613-04266-7
Bestellbar beim Verlag unter: www.motorbuch.de

Text: Marco Rassfeld
Fotos: Patrick Ernzen ©2016 Courtesy of RM Sotheby’s, Motorbuch Verlag, Marco Rassfeld