Fackelträger, Traumsportwagen und Rekordjäger – als eine automobile Ikone gilt der C 111 von Mercedes-Benz ohne Frage. Der Motorbuch Verlag veröffentlichte gemeinsam mit Mercedes-Benz Classic nach langer Ankündigungszeit nun endgültig ein neues Buch über den in vieler Hinsicht besonderen C 111. Dieses versucht sich in einer vollumfänglichen Dokumentation über das legendären Entwicklungs- und Rekordfahrzeug – gelingt dies?
Das Buch macht bei ersten Anblick auf jeden Fall gewaltig Eindruck durch die Dicke und das Gewicht, denn eine umfassendere Darstellung über den Mercedes-Benz C 111 ist bislang kaum bekannt. Antiquarisch ist das Buch von dem belgischen Automobil-Journalisten und Le Mans-Gewinner Paul Frère gemeinsam mit Julius Weitmann bekannt, dieses behandelt aber in erster Linie die Rekord-C 111 mit denen Mercedes-Benz zum Ende der C 111-Ära einige Rekord einfahren konnte. Diese sind im übrigen zu großen Teilen heute noch gültig, was auch die Wichtigkeit dieser Variante in der Geschichte des Automobils unterstreicht. Das nun vorliegende Buch widmet sich aber der komplette Historie des C 111 mit all seinen Varianten und dürfte damit für die vielen Fans des charismatische Sportwagens sehr interessant sein. Dazu trägt ohne Frage auch der Buchtitel bei, welches den C 111 mit aufgeblendeten Scheinwerfern und geöffneten Flügeltüren frontal zeigt. Dabei trägt er die charismatische Lackierung in Weißherbst, welche vermutlich viele unmittelbar mit den 1970er Jahren verbinden, in denen der C 111 seine Hochphase hatte. Diese Farbe nimmt dann auch der Buchtitel und Untertitel auf, während sich Herausgeber und die Autoren in kleinerer, weißer Schrift zeigen. Dazu findet sich noch das Verlagslogo auf dem Titel wieder. Das Buch erhöht die Aufmerksamkeit durch einen dick aufgetragenen Glanzlack, dieser lässt vor allem den C 111 recht plastisch wirken und auch die sechs weiteren Abbildungen auf der Rückseite erhalten diese Veredelung. Hierbei handelt es sich um die verschiedenen Versionen des C 111, welche die Weiterentwicklung schon mal aufzeigen. Dazu liefert der Klappentext einen ersten Eindruck auf die Entwicklung des C 111 von der Präsentation auf dem Genfer Salon im Jahr 1969 bis zum nicht vollendeten C 111-V.
Auch nach dem unmittelbaren Aufschlagen des Buches nutzt der Vorsatz, im übrigen ebenso wie der Nachsatz am Ende des Buches, auch das charakteristische Orange. Ein toller Einstieg in die Darstellung der Ereignisse rund um den Mercedes-Benz C 111. Das folgende Inhaltsverzeichnis zeigt die Struktur des Buches auf, welche sich in fünf übergeordneten Kapitel einteilt, welche sich noch weiter unterteilen um eine bessere Übersicht zu erhalten. Schon in der folgendem Kurzvorstellung des Autoren-Trios wird dann deutlich, dass sich echte Insider zur Erstellung dieses Titel zusammengefunden haben. So war Wolfgang Kalbhenn ab 1969 in der Versuchsabteilung für Wankelmotoren aktiv, während Gerhard Heidbrink lange Zeit bei Mercedes-Benz Classic tätig war. Joachim Hack schließlich ist etablierter Autor von diversen Büchern rund um das Thema Automobil und fühlt sich der Historie von besonderen Modellen besonders verbunden. Das Gleitwort von Buch stammt dann au der Feder von Alexandra Süß, Leiterin Mercedes-Benz Classic und unterstreicht die Unterstützung des Herstellers für dieses Projekt. Nach den Danksagungen und dem Vorwort der Autoren folgt dann der Start des Buches mit dem Blick auf eine Neue Verheißung: der Wankelmotor. Auch technischer Sicht war diese neue Art von Verbrennungsmotor, welche von Felix Wankel im Jahr 1954 erdacht wurde, eine Möglichkeit in der Zukunft effizienter produzieren zu können. Das Rotationsprinzip war vor allem deshalb interessant, weil die benötige Anzahl an verwendeten Teilen für einen Motor deutlich reduziert werden konnte. Dadurch erhoffte man sich auch bei Mercedes-Benz einen technische Vorsprung, zumal auch viele Konkurrenten mit Entwicklungen am neuartigen Motoren starteten. Die technische Darstellung vieler Details ist hier besonders hervorzuheben, wobei auch die entstandenen Probleme offen dargelegt werden. So hatten die ersten Motoren vor allem im unteren Drehzahl-Bereich zu wenig Kraft um wirklich zu überzeugen. Aber dennoch entschloss man sich die Entwicklung voran zu treiben und der C 111 sollte als Träger des neuen Triebwerks dienen.
Traumsportwagen und rollendes Labor: der C 111 lautet dann die Überschrift zu dem mit über 200 Seiten umfangreichsten Kapitel. Dies behandelt die Entstehung und Entwicklung des C 111 in all nur erdenklichen Details und endet mit dem Experiment einer Kunststoff-Bodengruppe. Zunächst widmet sich das Buch aber dem Wurzeln des Sportwagens, welche sich auf die sportlichen Derivate des damaligen SL stützten. Hier war, auch für den Einsatz im Motorsport, ein Hochleistungsmodell geplant, welches auch als 300 SLX bezeichnet wurde. Ein Modell mit Fließheck befand sich ebenfalls in der Planung und wurde als W 113 b sogar als 1:1-Tonmodell realisiert. Schon bald entschloss man sich aber zu der Platzierung des Motors als Mittelmotor und musste komplett neu planen. Hieraus entstand der heute noch existierende SLX, der auch unter weiteren Bezeichnungen bekannt ist, als 1:1-Modell. Schon zu diesen frühen Planungen und Überlegungen seitens der Ingenieure und Designer bei Mercedes-Benz finden sich im Buch eine Großzahl an Abbildungen und Zeichnungen wieder. Diese verdeutlichen sehr anschaulich die damaligen Vorgänge, während der umfangreiche Text alle Details dazu liefert. Hier findet man im gesamten Buch auch immer wieder viele interne Unterlagen aus Besprechungen von Mercedes-Benz, so dass die Authentizität nicht zu überbieten sein dürfte.
Schließlich kam es nach etwa zwei Jahre Ruhe um den großen Sportwagen zu einem erneuten Startpunkt, des nun C 101 genannten Projektes. Als eines von drei neuen Projekten tauchte der Wankel-Sportwagen erstmals Ende November 1968 bei der „Technischen Besprechung PKW“ auf. Die technische Basis sollte ein Stahl-Chassis liefern, über die eine Karosserie aus verklebten GFK gespannt wurde. Somit trug man auch dem Anspruch nach wenig Gewicht ebenso Rechnung wie dem erforderlichen Komfort eines Mercedes-Benz. Die erste im Buch zu findenden Design-Entwürfe zeigen einen kompakten Sportwagen, der in Teil an den Fiat X 1/9 erinnert. Der Wankelmotor war zudem fest eingeplant und sollte mit dem C 101 entwickelt werden. Auch als alternativer Antrieb bei anderen Fahrzeugen von Mercedes-Benz war dieser damals geplant.
Bei Design entwickelte sich auch durch aerodynamische Einflüssen schnell zu einem deutlich sportlicheren Automobil, welches nun unter anderem ein hohes Heck bekam. Hierbei gab es Design-Vorschläge sowohl aus Untertürkheim, als auch aus Sindelfingen zu berücksichtigen. Doch schnell war der Weg zum endgültigen Design gefunden und bei einer Vorstandsbesichtigung im April 1969 war das erste Design des C 101 schon in großen Zügen fertig. Nach Ton- und Plastilin-Modellen wurde schließlich die Fertigung des Kunststoff-Karosserie durch die Waggonfabrik Rastatt realisiert. Auch hierzu gibt es viele Bilder, welche zeitgenössisch die Eindrücke toll wiedergeben. Vielfach setzte man bei diesem Vorab-Modellen im übrigen aus unterschiedliche Bereifungen. Während auf der einen Seite die normalen Straßenreifen angebracht waren, nutzte man die andere Seite zur Platzierung von massiven Rennreifen. Weiterhin war ein möglicher Einsatz im Motorsport der Antrieb um den C 101 zu entwickeln und voran zu treiben. Es kam sogar schon damals modernste Computer-Technologie zum Einsatz um die einzelnen Schritte der Konstruktion zu erleichtern.
Um die Technik für den C 101 zu entwickelt kam ein Entwicklungsträger zum Einsatz, der auch als Hobel bekannt ist. Schon beim 300 SL trug ein Entwicklungsträger diesen Spitznamen, welche damit zu erläutern ist, das die Optik noch keine allzu große Rolle spielte. Der Hobel änderte sein Äußeres immer wieder um die Entwicklung aber auch hier voran zu treiben und bei den Fahrversuchen auch die notwendigen Ergebnisse zu erhalten. Nachdem dieser zunächst noch mit einer sehr improvisierten Karosserie gebaut wurde, entwickelte sich vor allem die Front immer deutlicher in Richtung des Endproduktes. Der erste „echte“ C 101 wurde dann als Wagen 2 im Juni/Juni 1969 aufgebaut.
Natürlich war die Entwicklung damit keinesfalls abgeschlossen und schon Wagen 3 zeigte, wenn auch kleine, optische Unterschiede. Die Presse hatte mittlerweile auch erste Berichte über einen kommenden Sportwagen von Mercedes-Benz veröffentlicht und dabei zum Teil erstaunlich genaue Zeichnungen abgedruckt. Dies sorgte intern durchaus für Diskussionen, denn solche Berichterstattung war keinesfalls gewünscht und drängte den Vorstand von Mercedes-Benz durchaus in eine Ecke. Ehe es schließlich zur ersten Pressevorstellung vor der kommenden Publikumspremiere auf der IAA im Jahr 1969 kommen sollte, entschloss man sich für den Namen C 111. Dies war auch damit begründet, dass die Namensrechts mit einer Null in der Mitte bei Peugeot lagen. Porsche hatte mit dem als 901 vorgestellten 911 da seine Erfahrungen gemacht. Diesen Ärger wollte man vermeiden und entschied sich schließlich für C 111, wobei auch C 100 oder SLX diskutiert wurden. Die Vorstellung für die Presse erfolgt auf dem Hockenheimring und die Journalisten wurden von den Ingenieure rund um Rudolf Uhlenhaut um die Rennstrecke chauffiert. Bis auf wenige Ausnahmen ließ Mercedes-Benz im übrigen nie Journalisten hinter das Lenkrad der C 111. Das Ausstellungsfahrzeug für die IAA im Frankfurt war Wagen 5, der hierfür zum ersten Mal in der charakteristischen Farbe Weißherbst lackiert wurde. Vorher nutzt man Weiß zur Lackierung und zum Test wurde zwischendurch auch ein C 111 in Leuchtorange lackiert.
Bis hier ist der Start zu einem erfolgreichen Entwicklungsträger beschrieben, aber das Buch liefert natürlich noch die gesamte weitere Geschichte mit alle ihren Nebenschauplätzen. Die technische Entwicklung der Wankel-Motoren bis hin zum Vier-Scheiben-Wankel und auch die optische Weiterentwicklung zum C 111-II. Dieser wurde nach neusten Erkenntnissen modernisiert und man verbesserte dabei unter anderen auch die Luftzu- und abfuhr. Das Buch blickt aber nicht nur auf Technik und Design, sondern auch die politischen Einflüsse innerhalb des Vorstands bei Mercedes-Benz werden immer wieder erläutert. Ein weiteres Kapitel widmet sich noch dem erfolgreichen Rekordfahrten der C 111 bis hin zur nicht mehr vollendeten Vision C 111-V. Und unter den Lebenslinien findet man die Vita aller hergestellten C 111 im Detail wieder. Dazu folgt noch ein Blick auf die Gegenwart und die immer noch ungebrochene Faszination des C 111 sowie zum Abschluss des Buches ein Anhang mit Daten, Codes und Quellen.
Fazit: Das Buch über den Mercedes-Benz C 111 kann allen Ansprüchen an eine umfassende Dokumentation befriedigen. Man vermisst kein Detail, aus welchen Bereich auch immer. Mit vielen internen Unterlagen und Erinnerungen, sowie einer Vielzahl an fast ausnahmslos zeitgenössischen Aufnahmen und Zeichnungen wird der C 111 perfekt beschrieben. Die umfassenden Texte liefern einfach alles was man wissen muss und kann über den C 111 und wirken dabei nur sehr selten langatmig. Sogar interne Berichte finden sich gelungen im Text wieder und werden oftmals sogar wörtlich zitiert. Es kann keine besser Darstellung geben, aus diesem Grund kann man dieses Buch ab sofort als das Standardwerk zum Mercedes-Benz C 111 ansehen!
Der Preis von knapp unter 70 Euro ist gerechtfertigt, denn es kann, wie schon beschrieben, kein umfassenderes Werk zu den faszinierenden Modellen des Mercedes-Benz C 111 geben. Es Muss für jeden Automobil-Buch-Fan und ein fester Platz in den gut sortierten Regalen sollte dem Buch sicher sein.
Bibliografie:
Titel: Mercedes-Benz C111 – Fackelträger, Traumsportwagen und Rekordjäger
Autoren: Wolfgang Kalbhenn, Gerhard Heidbrink, Joachim Hack
Umfang: 432 Seiten, 940 Bilder
Format: 230 x 265 mm
Bindung: gebunden
Auflage: 10/2021
Preis: 69,00 €
ISBN: 978-3-613-04137-0
Bestellbar beim Verlag unter: www.motorbuch.de
Text: Marco Rassfeld
Fotos: Motorbuch Verlag, Marco Rassfeld
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