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Buchbesprechung – Porsche Turbo

Der Untertitel „Die faszinierende Story der aufgeladenen Straßen- und Rennsportwagen“ zeigt das es sich beim hier vorliegenden und vor kurzem erscheinenden Buch aus dem Delius Klasing Verlag nicht um den selben Titel handelt, wie das ebenfalls vor kurzem hier vorgestellte Porsche Turbo-Buch über den 911. Vielmehr zeichnet Autor Randy Leffingwell die komplette Entwicklung des Turbos bei Porsche nach und blickt nicht nur auf eine einzelne Baureihe. Auch die wichtigen Grundlagenentwicklungen im Motorsport werden dabei immer wieder berücksichtigt.

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Gleich nach den Danksagungen startet das Buch direkt durch mit dem ersten von insgesamt 19 Kapiteln. „Der unfaire Vorteil“ zeigt die ersten erfolgreichen Turbomotoren von Porsche im Motorsport. Unfair waren diese Motor generell nicht, da sie immer im Sinne des Reglements eingesetzt wurden. Die Gegner hatten aber zumeist nicht den Hauch einer Chance gegen die neuen Rennwagen aus Zuffenhausen. Das Kapitel zeigt die Weiterentwicklung des in Europa durch Reglementsänderungen verbotenen Porsche 917 auf. In der amerikanischen CanAm-Serie gelang Porsche mit dem 917/10 und dem 917/30 in kurzen Zeit die Machtübernahme des bislang durch McLaren beherrschten Rennszene. Auch die Versuche mit dem 16-Zylinder-Motor bleiben im Buch nicht verborgen. Ebensowenig das schnelle Verbot der Rennwagen und dem nachgelagerten Rekordversuch mit einem speziell präpariertem 917/30. Auffällig wird schon hier die großzügige Verwendung von historischen Bildmaterial, wobei der Großteil aus den Porsche Archiven stammt. Oftmals bietet das Buch vollformatige Abbildungen und liefert auch immer wieder aufschlussreiche Zeichnungen zur weiteren Erläuterung. Zudem zeigen sich über das gesamte Werk immer wieder Zitate von direkt Beteiligten, die für eine hohe Authentizität sorgen und die Geschichte so anschaulich nachvollziehen.

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Im zweiten Kapitel stellt das Buch dann die eigentliche Funktionsweise des Turboladers sehr anschaulich dar ehe im dritten Kapitel die Eroberung der europäischen Rennstrecken im Fokus steht. Mit dem 911 Carrera RSR Turbo 2.1 tauchte der Turbo in einem Porsche zum ersten Mal auf und erste beeindruckende Erfolge konnten erzielt werden. Die auf der IAA 1973 vorgestellte Studie des 911 Turbo zeigte dann schon den ersten Blick in die Serie auf das zunächst limitiert geplante Homologationsmodell. Das vierte Kapitel setzt sich auch mit der Entstehung des ersten 911 Turbo der G-Modell-Generation auseinander. Parallel dazu ist dann im fünften Kapitel der Einsatz des Rennturbos in Form des 934 zu sehen. Auch die ersten Gruppe 5-Rennwagen in Form des 935 und der Gruppe 6-Porsche 936 werden dabei berücksichtigt. Die Weiterentwicklung des überaus erfolgreichen Modelle zeigen sich in Kapitel 6. Der Mischling 934/5 ist dabei ebenso vertreten wie das „Baby“ 935/2.0 und die letzte und schärfste Ausbaustufe – der „Moby Dick“ genannte 935/78. Natürlich wird auch die Entwicklung des 936 weiter verfolgt.

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Mit den noch taufrischen Porsche 924 begann die „Innovation und Evolution“ von den späten Siebzigern bis Mitte der Achtziger. Der Weg hin bis zum 924 Carrera GTR wird im siebten Kapitel dargestellt. Auch der nicht zum Einsatz gekommene Rekordwagen auf Basis des 924 kommt zu Vorschein. Im Motorsport versuchte Porsche einen Versuch in der amerikanischen Indycar-Serie, die aber abrupt beendet werden musste. Wiedermal auf Grund von Regeländerungen zog Porsche sein Engagement zurück. Mit der neuen Gruppe C taten sich dann neue Tore auf und die Ingenieure schufen den 956 der sofort zum Erfolgstypen avancierte. Auch die ersten Einsätze bei der Safari-Rallye und die Rennversion des 959, der 961 werden vorgestellt. Kapitel 9 zeigt die Ära der ersten Turbomotoren in der Formel 1, deren Einsatz durch die Mithilfe von McLaren und TAG zu einem großen Siegeszug wurden. Auch ein zweiter Versuch in der Indycar-Serie wurde unternommen und brachte aber keinen großen Erfolg. Kapitel 10 kümmert sich wieder um die Serienfahrzeuge und zeigt die Studie des 911 Turbo Cabriolet mit Allradantrieb, die einen Blick in die Zukunft werfen sollte. Auch das Sonderwunschprogamm und der 944 sind thematisiert.

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Auf den selten Flugmotor von Porsche blickt zunächst das Kapitel 11 ehe es die Entwicklung des Supersportwagens für die Homologation in der Gruppe B verfolgt – dem legendären 959. Auch hier darf natürlich die erste Studie mit dem schlichten Namen „Gruppe B“ nicht fehlen. In die Neunziger blickt dann das nächste Kapitel und zeigt die abgebrochene Entwicklung des 965 und die Turbomodelle des Porsche 911 vom Typ 964. Aber auch die seltenen Turbotypen des 968 sind vertreten, ebenso auch die letzten luftgekühlten 911er vom Typ 993. Kapitel 13 bildet die parallelen Ereignisse auf der Rennstrecke nach, auf denen Porsche immer noch vertreten war, zunächst zwar nicht mehr in den großen Klassen, aber dafür immer noch sehr erfolgreich. Nach dem 911 GT2 folgte schließlich doch wieder die Rückkehr in die größte Rennwagenklasse der Sportwagen. Der kompromisslose 911 GT1 ermöglichte so auch den erneuten Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans. Mit einem Partner in Form von Dauer gelang Porsche nochmals ein Sieg an der Sarthe. Beim Einsatz des 962 Le Mans und auch dem Kremer CK8 griffen die Ingenieure auf den „alten“ Rennwagen der Gruppe C zurück und hauchten ihm nachhaltig neues Leben ein. Der Spider der WSC-Klasse hingegen stammte gar von einem Jaguar ab!

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Im neuen Jahrtausend schließlich brachte Porsche den ersten wassergekühlten 911er vom Typ 996 auf die Straße und der entsprechende Turbo ließ nicht lange auf sich warten. Der GT2 stellt diesmal keine reine Homologationsbasis dar und wurde das neue sportliche Topmodell. In andere Gefilde wagte man sich schließlich mit den Cayenne vor. Ein Geländewagen der gemeinsam mit Volkswagen entwickelt wurde. Auf dem 996 folgte der 997 und auch hier waren die Modelle Turbo und GT2 erneut erhältlich. Vom GT2 entstand sogar eine weiter optimierte Version in Form des GT2 RS. Mittlerweile ist das 17. Kapitel erreicht und das Buch blickt auf weitere Turbomodelle im Portfolio. So zeigt sich die zweite Generation des Cayenne, die Reiselimousine Panamera und der kompakten SUV Macan. Dem aktuellen Rennwagen 919 Hybrid ist dann gleich das ganze Kapitel 18 gegönnt, in dem die Schritte bis zum Le Mans-Sieg im letzten Jahr nachvollzogen werden können. Das letzte Kapitel ist schließlich wieder dem allgegenwärtigem 911 gewidmet, diesmal dem aktuellen Modell 991. Mit Einführung des 991 II tauchten zum ersten Mal auch Turbomotoren in der Basisversion des Sportwagens auf und vollenden hiermit vorerst ihren vollkommenen Durchbruch. Geschuldet ist der Einsatz in erster Linie den strengen Abgasvorschriften, die in dieser Klasse mit einem normalen Saugmotor kaum noch zu erreichen sind.

Fazit: Ein großes Buch mit einem Streifzug durch die enge Verbindung von Porsche und dem Turbo. Dem Leser wird die langjährige Entwicklung dieser Connection vor Augen geführt und durch die Verwendung von vielen Abbildungen und eben auch Zitate der Beteiligten sehr gut verdeutlicht. Den Spagat der parallelen Entwicklungen für Motorsport und Serie wird elegant durch einzelne Kapitel gelöst. Somit deckt das Buch wirklich jegliche Einsätze von Turbomotoren ab. Auch gescheiterte Projekte wir der Rekord-924 oder der Flugzeug-Motor werden nicht verschwiegen. Hin und wieder wird der strenge Leser kleinere Fehler aufspüren, die aber meist nur kurzzeitig für Verdruss sorgen.
Die technische Umsetzung des Druckes ist in Ordnung, bei der Bindung scheint aber die Produktion in China ihre klassischen Fehler zu zeigen. So stört der quietschende Umschlagen ebenso wie das häufige Knacken beim Blättern und das ständige eigenständige Zuschlagen, sollte man das Buch nicht ausreichend fixiert haben.
Zum Preis von 39,90€ erhält der Leser aber in jedem Fall ein sehr gut getextetes und hervorragend illustriertes Buch rund um den Einsatz des Turbo bei Porsche. Für Hardcore-Fans der Marke wird es sicher nicht viel neues zu Entdecken geben, aber gerade für Einsteiger bildet es eine sehr gute Basis.

Bibliografie:
Titel: Porsche Turbo – Die faszinierende Story der aufgeladenen Straßen- und Rennsportwagen
Autor: Randy Leffingwell
Umfang: 256 Seiten, 147 Farbfotos, 69 Schwarz-Weiß-Fotos, 72 farbige Abbildungen
Format: 259 x 314 mm
Bindung: gebunden mit Schutzumschlag
Auflage: 2016
Preis: 39,90 €
ISBN-Nr.: 978-3-667-10424-3
Bestellbar beim Verlag unter: www.delius-klasing.de

Text: Marco Rassfeld
Fotos: Porsche, Marco Rassfeld