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Buch – Lichtjahre

Automobilsport-Lifestyle der frühen 60er – der Untertitel des brandneues Buches aus dem Bielefelder Delius Klasing Verlag klärt direkt über den Inhalt auf. Es ist eine Hommage an den vor knapp mehr als einem Jahr verstorbenen deutschen Künstler, Designer und Fotograf Horst H. Baumann. In diesem Fall mit dem konkreten Blick auf den Automobilsport …

Ein Le Mans-Start ist die passende Wahl als Titelbild.

Schon bei ersten Eindruck kann das Buch schnell überzeugen, denn alleine die Größe des im Hochformat umgesetzten Buches ist ungewöhnlich groß. Dies gibt natürlich den gezeigten Bildern somit auch die Möglichkeit den großen Raum auszunutzen, so dass man sich beim Betrachten fast wie in einer Galerie vorkommt. Wie zum Beweis ist ein großflächiges Bild dann auch unmittelbar auf dem Titel wiederzufinden. Es zeigt einen Le Mans-Start noch in der Ausführung, in der die Fahrer einmal quer über die Strecke zu Ihrem Rennwagen sprinten mussten. Dabei wird durch die gewählte Perspektive mit einen hohen Anteil an blauem Himmel nicht nur das Geschehen auf der Rennstrecke fokussiert. Die übervollen Tribünen zeigen die Beliebtheit des Rennens in jenen Jahren und für die Motorsport-Fanatiker zeigen sich immer noch einen begeisternde Anzahl an interessanten Rennwagen. So kann man unter anderen auch den Breadvan auf Basis eines Ferrari 250 GT SWB Berlinetta entdecken, welcher es Kennern dann auch leicht macht das Rennen zu identifizieren. Schließlich trat dieses Einzelstück, welches vom der Scuderia Serenissima durch Giotto Bizzarrini konstruiert wurde nur einmal in Le Mans an. Schon dieses Bild zeigt die Möglichkeit sich in diesem zu verlieren um es unweigerlich zu analysieren, aber das Bild wirkt auch für sich und zeigt eine große fotografische Kunst.

Nicht nur die Rennwagen standen im Mittelpunkt des Suchers von Baumann. Immer wieder finden sich auch außergewöhnliche Szene wieder.

Darüber hinaus wurde das Buch erfreulicherweise sehr schlicht umgesetzt, denn es finden sich nur die notwendigen Angaben wie der Buchtitel, der Autor und der Verlag wieder. Hierbei ist auch sofort erkennbar, dass das Buch zweisprachig umgesetzt wurde. Denn der Titel Lichtjahre erscheint zwar einzeln in ungewöhnlicher, blauer Heißfolien-Prägung aber es findet sich auch die jeweils passende englische Abaption von Titel und Untertitel wieder. Da es sich bei Baumann um einen international angesehnen Künstler handelt, stellt dies aber keine Überraschung dar. So ist auch der Klappentext auf der Rückseite in Deutsch und Englisch wiederzufinden, der dabei auch einen Hinweis auf die Besonderheit der Bilder gibt. Geschmückt wird diese Seite von einem weiteren Bild, welches augenscheinlich eine Fahrer-Frau bei der Zeitkontrolle zeigt. Neben dem Le Mans-Start ein weiteres vergangenes Relikt aus den 1960er Jahren an den Rennstrecken dieser Welt. Dazu kann man hier auch noch das Logo von Leica entdecken, die offensichtlich die Verwirklichung des Buches mit unterstützt haben. Schließlich sind die Fotografien von Baumann auch international anerkannt, wie auch einige Preise während seiner aktiven Laufbahn belegen. Um auch bei Aufschlagen zeigt sich die Unterstützung, denn man findet eine Abbildung einer klassischen M2 von Leica wieder, welcher sich aber sehr schlicht auf einem grauen Hintergrund zeigt und sich somit nicht in den Vordergrund drängt. Das Editorial stammt dann noch aus der Feder von Dr. Andreas Kaufmann, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats von Leica.

Der Nürburgring machte nicht nur durch sein schon immer besonderes Wetter aus sich Aufmerksam …

Zwei weitere Bilder führen aber vorher in das Buch ein und zeigen auch hier wieder ungewöhnliche Perspektiven. So kann man zunächst durch die Tribünen-Absperrung eine doch besorgt dreinschauende Frau in die Augen schauen, während das zweite Bild die durchaus vorhandene Romantik der Nachtrennen offenbart. Diese Bilder kommen noch ohne Bildunterschrift aus, in Gegensatz zu den restlichen im Buch folgenden Aufnahmen, welche immer auch einen Hinweis auf den Inhalt mitbringen. Selbstverständlich sind diese auch immer zweisprachig umgesetzt. Das dann folgende Inhaltsverzeichnis gibt dann noch die Abfolge im Buch wieder und nutzt hierzu bekannte Namen von Rennstrecken wie Le Mans oder Spa. Während der gesamten Entdeckungsreise durch das Buch ist immer wieder das große Format dafür verantwortlich, dass man eine wirklich guten Eindruck der einzelnen Bilder erhält, welche auch die entsprechende Größe zu nutzen wissen, allerdings ohne dabei auf einen weißen Rand zu verzichten. Zudem wurde bei der Digitalisierung der Bilder offensichtlich einer hoher Wert auf zeitgenössische Authentizität gelegt, denn die entsprechende Körnung lässt sich ein ums andere Mal deutlich erkennen. Man bekommt also keine perfekt retuschierten Bilder zu sehen, sondern vielmehr die Kunst in ihrer ursprünglichen Art. Dies lässt sich auch mit einer Verneigung vor dem Künstler verstehen und sorgt bei Betrachter für eine mögliche Zeitreise. Wirklich schön, dass man hier auf heute durchaus mögliche technisch aufwendige Bearbeitung bewusst verzichtet hat.

Wie nah die Fotografen zu damaligen Zeiten an die Rennstrecke kamen, ist heute schlichtweg unmöglich.

Im Stil einer Startnummer zeigt sich dann die Kapitelnummer mit dem Ort Le Mans. Eine Legende im Motorsport ist das 24 Stunden Rennen so oder so und sorgte schon immer für tolle Aufnahmen. So kann man als passenden Kontrast zum Titelbild auch das Ende der ersten Runden vom Rennen im Jahr 1962 entdecken. In einer kurzen, textlichen Einführung blickt das Buch auf das Rennen und die in den 1960er noch vorhandene Dominanz der Ferrari. So lassen sich auch auf den folgenden Bilder viele Rennwagen aus Maranello wiederfinden, welche noch keine ernsthaften Gegner hatten und oft auch einen Großteil des Feldes stellten. Die Aussichten auf einen prestigeträchtigen Gesamtsieg waren mit einen Ferrari in der damaligen Zeit sehr gut, wie auch die sechs Siege in Folge von 1960 bis 1965 eindrucksvoll belegen. Doch die Bilder legen nicht nur ein Fokus auf den Rennwagen, sondern vielmehr auf die Szenen rund um das Rennen in Frankreich. So kann man in unterschiedlichen Szenen das Treiben und die Anspannung vor dem Start förmlich fühlen, während ein Blick auf die lange Mulsanne-Gerade wiederum tolle Rennszenen zeigt. Auch der Lichtzauber in der Nacht ging Baumann natürlich nicht verloren und so finden sich auch solche Fotos wieder, denn er wusste die tollsten und zugleich ungewöhnlichsten Szene einzufangen. So sorgt das Buch mit einer vielfältigen Bildauswahl immer wieder auch für Überraschungen.
Dann folgen noch einige Anmerkungen zu Baumann als Fotograf und Künstler von Hans-Michael Koetzle, der hierbei auf die Besonderheiten und Einmaligkeiten der Bilder eingeht. Natürlich wird dieser Text auch mit einigen Bildern unterstützt.

Viele große Namen des Rennsports lassen sich im Buch immer wieder entdecken.

Der Nürburgring bildet dann die Kulisse zum zweiten Kapitel, bei dem sich auch wieder tolle Bilder wiederfinden. Unter anderem beim Großen Preis von Deutschland im Jahr 1962 fing Baumann die besondere Atmosphäre der Rennstrecke in der Eifel ein und zeigt hierbei die damals noch einfachen Rennwagen der Königsklasse. Aber auch die 1.000 Kilometer-Rennen sorgten für viele einmalig gute Szenen und zeigt gleichfalls die Rennwagen der Langstrecken-Rennen auf dem Nürburgring. Das typische Eifel-Wetter und auch die üblichen Unfälle dürfen hierbei natürlich nicht fehlen und zeigen abermals die große Kunst Baumanns‘.
Warum gerade die 1960er Jahre für die Automobilsport so prägend waren, zeigt dann noch ein weiterer Text, diesmal aus der Feder von Etienne Bourguignon. Er geht unter anderen auf die Strecken, die Fahrer und auch die Sicherheit ein und zeigt hiermit auch die hohe Gefahr auf, welche sich die Rennfahrer damals noch aussetzten.
Die Reise durch die Welt des Motorsports der 1960er Jahre ist hiermit aber keinesfalls beendet, denn mit Zandvoort und Spa folgen noch zwei weitere Kapitel in denen ebenfalls einmalige Rennstrecken die Grundlage zu besonderen Szenen liefern. Sowohl die Rennstrecke in den Dünen als auch die Ardennen-Achterbahn sind fraglos nicht minder interessant als Le Mans oder der Nürburgring. Die Bilder zeigen hierbei erneut unterschiedlichste Szene rund um die Rennen wieder und laden die Betrachter durch die große Abbildung oftmals zum Verweilen ein.
Zum Schluss folgt noch ein Epilog, wobei sich Uli Hack noch an ein letztes Treffen mit Horst Baumann erinnert und auch auf ein erstes Buch mit dem Titel „Die neuen Matadore“ verweist, in dem schon einige der Bilder vor langer Zeit veröffentlicht wurden. Herausgekommen ist schließlich eine Art Volume 2 der neuen Matadore.

Fazit: Wer den Motorsport in den 1960er Jahren erleben konnte, ist heute ohne Frage zu beneiden. Denn die legendäre Auftritten von charismatischen Rennfahrer in ihren oftmals noch recht einfachen Rennwagen sind bis heute legendär. Natürlich trug auch die hohe Gefahr durch die noch nicht vorhandene Sicherheit hierzu bei, denn somit war eine große Portion Mut erforderlich um überhaupt bei den Rennen anzutreten. Horst H. Baumann fing hierzu mit seiner Kamera einige denkwürdige Aufnahmen ein und schuf damit einen kleinen Teil seines bedeutenden Lebenswerkes. Dank der opulenten Umsetzung des neuen Buches kommen die Schätze der Motorsport-Fotografie optimal zur Geltung.
So lässt sich dann auch der hohe Preis von knapp unter 100 Euro erklären, welcher aber durchaus gerechtfertigt scheint. Schließlich kann man eine solch ungewöhnliche Zeitreise in die 1960er Jahre kaum besser in einem Buch verpacken.

Bibliografie:
Titel: Lichtjahre – Automobilsport-Lifestyle der frühen 60er
Autor: Horst H. Baumann
Umfang: 256 Seiten, 164 Fotos und Abbildungen
Format: 296 x 347 mm
Bindung: Gebunden
Auflage: 06/2020
Preis: 98,00 €
ISBN: 978-3-667-11847-9
Bestellbar beim Verlag unter: www.delius-klasing.de

Text: Marco Rassfeld
Fotos: Horst H. Baumann, Delius Klasing, Marco Rassfeld