Das Jahrzehnt der Heckschleudern – ehe die extrem leistungsstarken Gruppe B-Monster die Rallye-Meisterschaftsläufe beherrschen sollten, bahnte sich mit dem offiziellen Start der Weltmeisterschaft im Jahr 1973 schon etwas an. Die Zeiten waren geprägt von Hochleistungslimousinen und auch speziellen Rallye-Waffen, welche die Szene beherrschen sollten. Bei McKlein ist auch zu dieser Ära ein Buch erhältlich, was auf die ersten zehn Jahre der Rallye-WM zurückblickt.
Wie schon die Titel zur schon erwähnte Gruppe B und deren Nachfolger der Gruppe A ist auch dieses Buch im Stil der Reihe umgesetzt. Das große Format gibt viel Platz für die Bilder, welche auf eine verrückte Zeit zurückblicken und viele Eindrücke der Fahrzeuge und auch den Fahrern liefern können. Das Titelbild zeigt ein extremes Fahrzeug aus der Ära der Gruppe 4, den Lancia Stratos. Dieser wurde, im Gegensatz zu bisherigen Gepflogenheiten mit dem unmittelbaren Blick auf den Rallye-Einsatz entwickelt und war damit das erste Fahrzeug dieser, bis heute seltenen Spezies. Denn üblicherweise nehmen die Hersteller ein bestehendes Fahrzeug und adaptierten es durch Sonderserien zum Einsatz im Motorsport, so dass zu jeder Zeit auch ein hoher Wiedererkennungswert mit den käuflichen Modellen gegeben war. Doch Lancia setzte nachdem Einsatz mit der Fulvia nun aufs Ganze und konnte sich gar einen Motor von Ferrari hierzu sichern. Der Titel Gruppe 4 kommt wieder in großen Buchstaben daher, wobei die 4 sich nochmals deutlich größer herausstellt. Dazu sind noch die Jahre der Ära, das Verlagslogo und auch die Autoren zu erkennen. Dazu ein äußerst passender Untertitel, denn die Heckschleudern beherrschten die Gruppe 4 ohne Fragen, erst spät betrat Audi mit dem revolutionären quattro die Bühne der Rallye-Veranstaltungen. Die Zeit des Allrades sollte aber noch kommen …
Schon auf der Rückseite vom Buch findet man dann schon einen hohe Anzahl an Bildern aus den Jahren 1973 bis 1982, die zwar leider recht klein abgebildet sind, aber einen tollen Überblick über die Zeit geben. Hier finden sich ebenso Fahrzeuge wie Menschen wieder, welche die Epoche prägen sollten. Ein Text liefert dazu einen ersten Einblick in die Ära und dazu stellen sich schon einige Fahrzeuge wie die Alpine, den Mercedes SLC oder auch den Peugeot 504 vor. Die Bandbreite der verwendeten Fahrzeuge sorgte in jedem Fall für recht bunte Starterfelder.
Das Inhaltsverzeichnis ist nach dem Aufschlagen schnell zu finden und wird von einen Bild im vollen Seitenformat unterstützt, welches eine beeindruckende, aber zugleich verlassene Landschaft zeigt, die vom einem Lancia Stratos im vollen Tempo durchfahren wird. Der Inhalt des Buches gliedert sich schließlich in sechs Kapitel, in dem der Leser die Epoche der Gruppe 4 nachvollziehen kann. Das Vorwort beginnt dann unmittelbar mit einer kleinen Entschuldigung, denn historisch korrekt war die Gruppe 4 schon vor dem Jahr 1996 Bestandteil der Klassifizierung der CSI. So galt auch ein Porsche 917 zu Beginn als Fahrzeug der Gruppe 4, ohne das jemals versucht wurde das Langstrecken-Monster auf einer Rallye zu bewegen. Als krasses Gegenbeispiel hierzu nennt das Buch noch den kleinen Hillman Imp, der auch in der gleichen Klasse antrat. Zunächst war die Klasse mit einer Mindeststückzahl von 50 Fahrzeuge ausgewiesen, welche zum Jahr 1969 auf 25 reduziert wurde. Nur ein Jahr später wurde die Gruppe 4 zur Gruppe 5 und die Mindeststückzahl der Gruppe 4 lag nun bei 500 Exemplaren. Erst jetzt wurde die Klasse auch für die Rallyes interessanter. Später, konkret 1976, wurde diese Vorgabe nochmals auf 400 Exemplare reduziert. Es war also immer war los und der kleine Fehler sei natürlich verziehen, denn richtig für Aufsehen sorgten die Boliden erst mit der ersten Weltmeisterschaft im Jahr 1973.
Wie sich die Zeiten ändern! verdeutlicht dann das erste Kapitel im Buch mit der gleichlautenden Überschrift. Eine Doppelseite dient hierbei als Kapitel-Einstiegsseite und listet die enthaltenen Artikel auf und nutzt auch hier die Kraft der Bilder, welche sich in gelungener Anordnung darstellen und einen Querschnitt durch alle Gegebenheiten zeigen. Zunächst wird erörtert wie sich der Rallye-Sport von den ursprünglichen Marathon-Fahrten immer mehr zum Sprint entwickelte. Alle ehemaligen Mammut-Veranstaltungen wie der legendären Liège-Sofia-Liège waren mit Beginn der Rallye-Weltmeisterschaft im Jahr 1973 schon aus dem Kalender verschwunden. Das Format der Rallyes wurde so natürlich auch deutlich TV-freundlicher und war durch einzelne Wertungsprüfungen auch für die Zuschauer einfacher zu verfolgen. Die Vielfältigkeit der Fahrzeuge, welche in der Ära am Start standen ist beachtlich und man bekommt die Entwicklung Vom Sportwagen zum Allrader ebenfalls erläutert. Es gab weitere Punkte wie die Sicherheit, die Zuverlässigkeit oder auch die Fahrbarkeit, welche sich im Laufe der Jahre immer weiterentwickeln sollte. Ein wenig undurchsichtig waren zunächst noch die möglichen Streichresultate, aber Bis zum Zwang zur vollen Saison war es nicht mehr allzu weit. Die unterschiedlichen Texte liefern so quasi vorab schon einen sehr gelungenen Überblick über die wichtigsten Themen der ersten zehn Jahre der Rallye-Weltmeisterschaft und die Entwicklung der Gruppe 4, zeigt aber auch die damals noch mögliche Unbeschwertheit der Fahrer untereinander, welche heute nahezu unmöglich erscheint. Neben dem Text finden sich dazu passenden Bilder in große Anzahl wieder, die oftmals auch im großen Format abgebildet sind. Eine entsprechende Bildunterschrift klärt zudem noch über den Inhalt dieser Bilder auf und somit entsteht ein gelungener Einstieg in das Buch.
Die Champions – einfach und prägnant lautet der Titel des zweiten Kapitels und liefert dem Leser sieben Porträts von heutigen Rallye-Fahrerlegenden. Hierbei sein noch zu erwähnen, das es den offiziellen Titel der Fahrer-Rallye-Weltmeisterschaft erst ab der Saison 1979 gab. In den ersten drei Jahren wurde ausschließlich die Herstellerwertung ausgefahren und ab 1977 kam der FIA Cup for Rallye Drivers als Fahrerwertung zum Zuge. Diesen ersten Fahrertitel sicherte sich der Italiener Sandro Munari, der sicher vielen heute noch im Gedächtnis sein dürfte als Sperrspitze der Stratos-Fahrer. 1979 krönte sich dann der Schwede Björn Waldegård zum ersten Rallye-Fahrerweltmeister und nutzte dabei mit dem Escort RS1800 von Ford und dem 450 SLC von Mercedes zwei unterschiedlichen Fahrzeuge. Heute wäre sowas absolut undenkbar, damals durchaus üblich. Zu jedem Fahrer oder Fahrerin gibt es eine große Schwarz-Weiß-Abbildung, die natürlich zeitgenössisch sind und die Menschen somit toll darstellen. Es finden sich noch Walter Röhrl, Hannu Mikkola, Markku Alen, Michèle Mouton und Ari Vatanen unter den Champions der Gruppe 4-Ära. Dazu wirft das Buch auch noch einen Blick auf weitere Spitzenfahrer, denen der Gewinn eines Weltmeistertitels verwehrt blieb, weil es eben in den ersten Jahren noch keinen Fahrertitel gab. Auch hier gibt es interessante Namen wie Thérier, Mäkinen oder Andruet zu entdecken. Die textliche und bildliche Darstellung erfolgt zwar im kleineren Rahmen, aber die Würdigung der Leistung schmälert dies keinesfalls.
Kapitel 03 blickt dann auf die Ereignisse aus zehn Jahren Rallye-Geschichte. In chronologischer Reihenfolge werden hier alle Rallyes beschrieben und dazu gibt eine umfassende Bebilderung, welches ein jedes Motorsport-Herz höher schlagen lässt.
Die Autos stehen dann nochmals im Mittelpunkt vom vierten Kapitel, wobei stattliche 18 Hersteller und ihre Modelle vorgestellt werden. In alphabetischer Reihenfolge werden die Modelle und deren Besonderheiten und auch die Entwicklungen dargestellt. Ein perfekter Prototyp hierzu ist die als erstes vorgestellte Alpine A110, denn diese war schon vor dem Jahr 1973 im Rallyesport aktiv und wurden auch in unterschiedlichen Klassen eingesetzt. So gelang dem kleinen, heckangetriebenen Sportcoupé auch der Gewinn der ersten Rallye-Weltmeisterschaft überhaupt. Die Kombination aus Leichtigkeit und Zuverlässigkeit war beachtlich und so konnten die Fahrer sechs der dreizehn Weltmeisterschaftsläufe gewinnen. Zweimal standen hierbei gar drei Alpine geschlossen an der Spitze des Feldes. Der Nachfolger A310 wurde auch noch im Rallyesport eingesetzt, konnte aber an den Erfolgen nicht annähernd ansetzen. Neben den bekannten und beliebten Modellen wie dem Ford Escort, dem Lancia Stratos oder auch dem Fiat 131 Abarth finden sich noch viele weitere Fahrzeuge im Buch wieder. So kann man auch einen BMW 2002 entdecken, einen Ferrari 308 GTB oder auch eine Triumph TR7. Es macht wirklich Freude all diese Modelle auch in beeindruckenden Aufnahmen zu entdecken und selbst der Blick unter die Motorhaube oder auf einige Details ist immer wieder möglich.
Nicht minder interessant als die Fahrer, Rallyes oder Fahrzeuge sind die besonderen Stories welche sich im Laufe der zehn Jahren Rallye-Weltmeisterschaft abspielten. Hierbei geht es um unterschiedlichste Themen, die auf den ersten Blick oftmals unglaubwürdig erscheinen oder aus heutiger Sicht auch unmöglich scheinen. So findet man die Geschichte zum Gleichstand nach einen kompletten Rallye-Veranstaltung wieder, die augenscheinliche Manipulation an den Fahrzeugen oder auch die üblichen Spielchen am Rande der Regel-Konformität.
Zum Schluss liefert ein umfassender Statistik-Teil noch alle möglichen Informationen zu den Ergebnissen wieder, jeweils die zehn Erst-Platzieren einer jeden Rallye finden sich hier wieder mit Fahrzeug, Starnummer, Besatzung und natürlich der Zeit. Die entsprechenden Endstände der Meisterschaft finden sich natürlich auch noch wieder.
Fazit: Die Gruppe 4 prägte eine Ära der Rallye-Geschichte, vor allem auch durch die nun ausgefahrene Weltmeisterschaft. Hierzu war der Aufwand der Werke teilweise enorm und brachte hochinteressante Fahrzeuge zum Vorschein. Das Buch taucht hierzu tief in die Ära der ersten zehn Jahre Rallye-Weltmeisterschaft ein und bringt dem Leser ein gelungenes All-Inclusive-Paket mit. Neben vielen Geschichten zur Entwicklung der Gruppe 4 oder auch die unglaublichsten Stories finden sich Fahrer-Porträts ebenso wieder wie die komplette Betrachtung aller Läufe. Das dazu auch noch die Fahrzeuge vorgestellt werden ist fast schon selbstverständlich. Das alles wird mit einer hohen Anzahl an erstklassigen Bilder umgesetzt, die den Leser immer die damaligen Verhältnisse vor Augen führen können. Es gibt eine Menge zu entdecken …
Der Preis von knapp unter 50 Euro ist sehr fair und kaum ein Rallye oder Motorsport-Fan kann auf diese Buch eigentlich verzichten. Neben einer deutsche Fassung ist im Übrigen auch eine englische Fassung beim Verlag erhältlich.
Bibliografie:
Titel: Gruppe 4 – Das Jahrzehnt der Heckschleudern
Autoren: John Davenport, Reinhard Klein
Umfang: 256 Seiten, 278 Farb- und 119 Schwarz-Weiß-Fotos
Format: 245 x 300 mm
Bindung: Hardcover
Auflage: 12/2011
Preis: 49,90 €
ISBN-Nr.: 978-3-927-45853-6
Bestellbar beim Verlag unter: www.rallyandracing.com
Text: Marco Rassfeld
Fotos: McKlein Publishing, Marco Rassfeld
Eine Antwort auf „Buch – Gruppe 4“
[…] die Links zu den Rezensionen der bisher erhältlichen Titeln (alle auch in Englisch erhältlich): Gruppe 4 – Das Jahrzehnt der Heckschleudern – 1973–1982Gruppe B – Aufstieg und Fall der Rallye-Monster – 1983–1986Gruppe A – Rallye-Wölfe im […]