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Buch – Audi quattro

Im März 1980 stellte Audi auf dem Genfer Salon eine neue Generation des allrad-angetriebenen Automobils vor – den quattro. Somit feierte der Sportwagen mit dem ungewöhnlichen Antrieb 2020 sein vierzigjähriges Jubiläum. Dies nahm Delius Klasing zum Anlass um ein opulentes Buch über den Audi quattro zu realisieren. Das hierbei auch der Hersteller im Spiel war und das passende Label Edition Audi Tradition vergab sorgt für eine hohe Begehrlichkeit bei den Fans der Marke.

Ein quattro beim Aufstieg im Schnee –
eine typische Szene in der der Audi glänzt.

Aktuell ist der Titel nämlich schon in der zweite Auflage erhältlich, was natürlich für die hohe Nachfrage nach einen solchen Buch spricht. Mit dem Autor Dirk-Michael Conradt ist ein etablierter Automobil-Journalist für das Buch verantwortlich, was eine gekonnte Aufarbeitung verspricht. Das Buch selbst kommt im breiten Hochformat daher und ist mit 400 Seiten erstaunlich dick, was natürlich auch einen sehr umfassenden Inhalt hoffen lässt. Das große Format gibt zudem auch die Möglichkeit, die Bilder im Buch auch in entsprechender Größe zu platzieren. Das es im Buch auch grafisch etwas zu entdecken gibt, zeigt sich fast unmittelbar nach dem Aufschlagen. Nach dem noch einfarbigen, roten Vorsatz folgt schnell die erste Seite, auf denen sich mehrer Dreiecke zu einer dynamischen Darstellung vereinigen. Schnell kann man hier die Farben zu Audi assoziieren und selbstverständlich ist der Schriftzug Audi quattro auch in der entsprechenden Typo umgesetzt. Im Inhaltsverzeichnis zeigen sich einen Vielzahl an Kapiteln, in denen das Buch die Geschichte und Entwicklung des Audi quattro erzählen möchte. Auch hier finden sich die dynamisch angeordneten Dreiecke wieder, welche sich auch im gesamten Buch wiederholen werden. Dies sorgen immer wieder für einen gute Auflockerung des Layouts, ohne dabei zu aufdringlich zu wirken. Auch das erste Bild eines freigestellten, im passenden Rot lackierten Audi quattro gesellt sich noch zu Inhaltsverzeichnis.
Jedes Kapitel startet mit einer Doppelseite und zu Beginn folgt einen kleine Einleitung mit Danksagungen welche die Methodik des Buches erläutern. So findet man Hinweise auf die teilweise schwierige Erinnerung an 40 Jahre zurück und auch eine Darstellung der Schreibweise des Wortes quattro.

Der A1 war der erste Testträger mit dem Allrad-Antrieb in der Karosserie eines Audi 80.

Im dann folgenden Prolog erinnert sich der Autor auch an ein Treffen mit Dr. Ferdinand Piëch, der maßgeblich bei der Entwicklung des Audi quattro beteiligt war und damit einen weiteren Meilenstein in der deutschen Automobil-Geschichte mitverantworten sollte. Ihm sollten bekanntermaßen auch noch einige weitere folgen. Jede Doppelseite zum Start eines Kapitels, die in diesem Fall nicht nummeriert sind, bringt auch ein großes Bild in stilisierter Form zum Vorschein. Auch dies macht den Titel designtechnisch zu einem besonderen Buch. Das die Seiten auch nicht nur rein mit Text geflutet wurden, sondern es immer einen gelungenes Verhältnis von Text, Bilder und auch dem notwendigen Freiraum gibt, unterstreicht diesen Anspruch noch weiter. Das ganze wird wirklich stimmig und macht das Buch unter den oftmals recht technischen Automobil-Bücher zu etwas Anderem und Neuartigen. Nur wenige Bücher, die bislang hier vorgestellt wurden (es sind mittlerweile über 400) nutzen die Möglichkeiten so geschickt aus.
Die Geschichte des Allradantriebs für den Straßenbetrieb hinterfragt dann die Aussage von Audi mit dem quattro das erste „schnelllaufende, Serien-Automobil der Welt mit Allradantrieb“ zu präsentieren. Schon früh gab es die Idee alle Räder eines Automobils anzutreiben, wobei hier als Pionier ein gewisser Ferdinand Porsche erwähnt wird. Dieser hatte schon im Jahr 1900 mit dem Lohner-Porsche ein Automobil mit je einem Radnaben-Motor an allen Räder vorgestellt und somit das erste Allrad-Automobil überhaupt, dieses blieb allerdings ein Einzelstück. Mit Spyker, Miller und Bugatti verfolgten weitere Firma den vermeintlichen Vorteil des Allradantriebs, allerdings erfolgten die Einsätze zumeist Im Motorsport und nicht auf der Straße. Es gibt noch mehr zu entdecken von hochgelegten, russischen Limousinen mit Geländewagen-Unterbau, einem Citroën 2CV mit zwei Motoren oder einem englischen Pionier im Form des Jensen FF. Ernsthaft große Stückzahlen erreichte aber keines dieser Modelle.

Auch das Design des neuen Sportwagen von Audi sollte extravagant sein und sorgte für viel Gesprächsstoff.

Neben dem Allradantrieb nutzte der Audi quattro auch eine weitere, damals noch im Automobil-Bau neue Technik – den Turbolader. Auch diesem widmet das Buch einen genauere Betrachtung und blickt somit auf zwei entscheidenen Technologien, die zum Einsatz kamen und die Marke Audi auch in der höheren Preisklasse zu etablieren. Auch hier finden sich dann Modelle aus der Anfangszeit der Turbolader im Automobil-Bau wieder wie der Chevrolet Corvair Monza Spider von 1962 oder auch Rennwagen wie der Porsche 917/30 oder dem Brabham-BMW aus der Formel 1 aus dem Jahr 1983.
Die Grundvorlage zum quattro lag auch bei Audi bei einem Geländewagen, dem DKW Munga. Die Auto Union nutzte nach dem zweiten Weltkrieg die Marke DKW um Automobile zu verkaufen und konnte sich in einer Ausschreibung der Bundeswehr einen Auftrag für Geländewagen sichern. Der mit den üblichen DKW-Zweitakt-Motoren ausgestattete Munga verfügt über Allradantrieb war somit auch in unwegsamen Gelände kaum aufzuhalten. Der Folge-Auftrag verlangte aber nach modernen Motoren, so dass die Entwicklung mit einem Viertakt-Motor fortgesetzt werden sollte, dieser stammte von der inzwischen wiederaufgelebten Marke Audi. Doch die Weiterentwicklung überzeugte die Bundeswehr diesmal nicht. Dies Anforderungen wurden härter und konnte vom Munga nicht mehr erreicht werden. Dies nutzte Volkswagen um mit dem Iltis einen passende und modernere Alternative anzubieten. Der Iltis war dann auch entscheidend an der Realisierung des Audi quattro beteiligt,

Der Rallye-Sport wurde von Audi revolutioniert – bis heute setzen die Spitzenfahrzeuge auf Allradantrieb.

Als der damalige Fahrversuchsleiter Jörg Bensinger bei Testfahrten in Finnland feststellen konnte, das der mit nur 75 PS motorisierte Iltis gegenüber allen übrigen Fahrzeuge unter diesen Bedingungen überlegen war, entwickelte sich die Idee zum quattro. Denn wie wäre es, wenn man diesen Allradantrieb in einem hochpotenten Sportwagen implantieren würde? Eine Idee, welche auch Dr. Piëch gefiel und so fing man bei Audi an diese Idee ernsthaft zu verfolgen. Der bis dahin noch übliche Hinterrad-Antrieb wurde langsam aber sicher durch den aufkommenden Front-Antrieb abgelöst und Audi war hier einer der Vorreiter. Diese Rolle strebte man nun auch mit der bei Alltags-Automobilen noch nicht etablierten Allrad-Technologie ebenfalls an. Schon zu Beginn stand hier auch die Beobachtung des Rallye-Sports im Lastenheft, bei der man sich durch den Allrad einen Vorteil erhoffte. Ein Audi 80 wurde zum A1, dem ersten Prototypen der die Technik unter einem recht unauffälligen Blechkleid tragen sollte. Es galt aber auch die Konzern-Spitzen von Volkswagen zu überzeugen, welches mit ungewöhnlichen MItteln erzielt werden konnte.
Man musste aber noch viele lernen um die noch unbekannte Prozesse des Allrad verstehen und optimieren zu können. Nach der Freigabe eines kleinen Entwicklungsbudgets stieg man schließlich nachhaltig in die Entwicklung ein und erlebte noch ein paar unerwartete Überraschungen. Der zweite Prototyp A2 setzte auf den Formen des neuen Audi 80 auf und machte die Entwicklung noch unauffälliger, denn die Karosserie entsprach in vielen Zügen schon den damals geplanten Coupé, der als Basis für den quattro dienen sollte. Bei Testfahrten in der Sahara verbrannte der A2 dann aber leider, inzwischen leistete der Motor schon beachtliche 286 PS, mehr als der damalige Porsche turbo! Neben der Form war aber auch noch der Name des neuen Spitzen-Modells unklar und auch diese Geschichte findet sich im Buch wieder. Neben einem amerikanischen Automobil spielten hier auch eine Sängerin und ein Parfüm vermutlich einen Rolle.

Der Sport quattro sollte eine bessere Basis für den Rallye-Sport werden – und wurde zur Legende.

Das Buch setzt sich in jedem Fall intensiv mit der Entwicklung und auch den zahlreichen Geschichten hinter dem Audi quattro auseinander und lässt keine Information vermissen. Das man im Text hier oftmals auch zeitgenössische Zitate und auch passenden Erinnerungen der beteiligten Personen wiederfinden kann unterstreicht die Authentizität der Aussagen. Auch die zeitgenössische Presse wird immer wieder berücksichtigt, wobei sich der Autor des Buches auch dazuzählen kann. Die Wahl des Fünfzylinder als Motor war eine weitere Besonderheit von Audi und bildete einen weiteren Baustein zur Legende quattro. Neben der hohen technischen Extravaganz war auch die optische Aufmachung ein besonderes Thema, denn auch hier polarisierte der Audi durchaus. Hartmut Warkuß war als damaligen Designchef bei Audi für den quattro verantwortlich und musste auch aus Zeit- und Kostengründen den Fokus auf die Optimierung der generellen Design-Vorgabe legen. So entstand quasi ein Audi 80-Coupé im Sportanzug, wobei man den Innenraum zunächst noch komplett vernachlässigte. Wenig später folge dann auch hier die Revolution mit digitalen Anzeigen.
Eng verbunden mit dem Audi quattro war und ist der schon erwähnte Rallye-Sport. Mit Allrad und Turbo setzte das Konzept auf moderne und ungewöhnliche Technologien und sorgte geschickt vorab noch für die Zulassung des Allradantriebs im Motorsport. Die Konkurrenz ahnte nicht von der Gefahr, welche aus Ingolstadt heran rollen sollte. Mit Hannu Mikkola konnte man schon im ersten Jahr einen Star-Fahrer von den Qualitäten des quattro überzeugen und schon die ersten Einsatz verdeutlichten die Möglichkeiten.
Das Buch legt noch viele weitere Themen offen, unter anderen natürlich auch den seltenen Sport quattro, die Weitentwicklung von Jahr zu Jahr bis zum quattro 20V. In einer umfassenden Faktensammlung finden sich viele Details für die Statistikern am Buch-Ende wieder und runden die Komplett-Präsentation sehr gut ab.

Fazit: Ein Meilenstein der Audi-Geschichte oder gar der Automobil-Geschichte war der erste Audi quattro ohne Frage. Das neue Buch liefert einen umfassenden Blick auf das außergewöhnliche und fortschrittliche Fahrzeug und beachtet auch alle wichtigen Technologien und deren Entwicklung und Geschichte. Sehr gelungen ist hierbei auch das Layout, welches das Er-Lesen des Buches sehr erfreulich gestaltet. Dazu findet sich noch eine hohe Anzahl an Bilder wieder, in denen sich auch immer wieder technische Details wiederfinden und erläutert werden. Die Betrachtung vernachlässigt natürlich auch nicht den Rallye-Sport und bringt hier auch tolle zeitgenössische Aufnahmen zum Vorschein.
Der Preis von knapp unter 50 Euro ist extrem fair, denn das Buch hat fraglos das Potenzial als „das quattro-Buch“ zu gelten. Als Standardwerk gehört dies in jede Autobuch-Sammlung und in jene der Audi-Fans hat das Buch auch so schon einen festen Platz verdient.

Bibliografie:
Titel: Audi quattro
Autor: Dirk-Michael Conradt
Umfang: 400 Seiten, 630 Fotos und Abbildungen
Format: 277 x 295 mm
Bindung: Gebunden
Auflage: 12/2020
Preis: 49,90 €
ISBN: 978-3-667-11946-9
Bestellbar beim Verlag unter: www.delius-klasing.de

Text: Marco Rassfeld
Fotos: Delius Klasing, AUDI AG, Marco Rassfeld