Eine umfassende Chronik mit sämtlichen technischen Daten über alle Automobile aus Deutschland war das Lebenswerk von Werner Oswald. Der Motorbuch Verlag verlegte schon früh seine Werke, die schnell als unverzichtbares Nachschlagewerk galten. Gerade in Zeiten vor dem Internet gehörte der „Oswald“ zum Standard-Buch einer jeden Automobil-Bibliothek. Doch lassen sich die Jahre 1975–1995 in einem Buch komprimiert zusammenfassen?
Dieser Herausforderung stellte sich eben jener Motorbuch Verlag und vertraute dabei auf die Basis von Werner Oswald, die schon 2001 durch den Einsatz von Eberhard Kittler erweitert wurden. Das Buch ist sozusagen die Fortsetzung des Oswald-Klassikers Deutsche Autos 1945–1975 und wird in dieser Form erstmalig in einem Werk zusammengefasst. Mit über 600 Seiten entsteht so ein beeindruckend starkes Buch, welches sich optisch in der selben Aufmachung zeigt wie die aktuellste Auflage des Klassikers. Auf dem Titel zeigt sich groß ein Mercedes-Benz C 124, die Coupé-Baureihe der oberen Mittelklasse des Stuttgarter Hersteller aus den 1980er und 1990er Jahren. Bis heute gilt dieses Modell für viele Liebhaber als letzter, echter Mercedes mit einer ungeheueren Qualität und Landlebigkeit. Von daher eine passende Titelbild-Wahl, zumal es sich um ein zeitgenössisches Foto handelt. Dazu finden sich neben dem Buchtitel noch ein Volkswagen Passat Variant und ein Ford Sierra wieder, beides Fahrzeuge die heute schon so gut wie komplett aus dem Straßenbild verschwunden sind. Verlagslogo und Autoren finden sich im unteren Bereich dezent wieder und vervollständigen den Titel. Die Rückseite befindet sich unter dem Bild eines BMW 325 iX der Klappentext, mit Hinweisen auf das immer weiter steigende Angebot der deutsche Hersteller in diesem Zeitraum. Die war schon längst deutlich umfangreicher als noch in den ersten 30 Jahren nach dem zweiten Weltkrieg und ermöglichte so „nur“ die Zusammenfassung von 20 Jahren in einem Buch.
Das Inhaltsverzeichnis zeigt sich sehr kompakt und listet elf deutsche Hersteller auf, welche im Buch mit ihren Modellen vorgestellt werden. Hierbei finden sich neben den, auch heute noch am Markt zu findenden Großserien-Herstellern noch ein paar Exoten wieder, welche ebenfalls interessante Modelle herstellten.
Die Einleitung geht nochmals auf die Idee der Zusammenfassung der Jahr 1975–1995 ein und erläutert die Grundlage hierzu. Als Werner Oswald seine Chronik im Jahr 1975 fortführen wollte, erkannte dieser schnell, dass die Komplexität deutlich zunimmt. Als 1990 die letzte von Oswald selbst erstellte Übersicht über die deutschen Autos erschien, hatte dieses Werk schon zwei Bücher. Ederhard Kittler übernahm die Fortsetzung dieser Chronik, die letzte Aufarbeitung erschien im Jahr 2000 und umfasste ebenfalls zwei Bände, welche bis zum Jahr 2000 reichen sollten. Des Weiteren wird erläutert, dass die ursprüngliche Planung für dieses nun neu aufgelegte Buch vorsah die Jahr 1975–2000 zusammenzufassen. Dies scheiterte am Umfang, denn mit vermutlich knapp 1.000 Seiten wäre so ein Buch nur schwer zu handhaben gewesen. Somit entschied man sich für einen Schnitt zum Jahr 1995 und somit wird umfassend über die Entstehung des Buches berichtet – ein toller Einstieg in die Welt der deutschen Autos.
Mit Alpina stellt sich dann in der alphabetischen Aufarbeitung gleich ein Klein-Serienhersteller vor. Hier findet der Leser, wie bei jedem Hersteller, einige generelle Informationen zum Hersteller und wie dieser sich entwickelte. Alpina war zunächst als kleiner Tuning-Betreib für BMW-Modelle gestartet und nutzte sein Know How schon bald für Einsätze im Motorsport. Wenig später wurde Firmengründer Burkhard Bovensiepen gar der Ideen-Lieferrant für den BMW 3.0 CSL, der eine perfekte Basis für den Motorsport werden sollte. Als Alpina 1977 mit dem BMW 3.5 CSL die Tourenwagen Europameisterschaft mit Dieter Quester am Steuer feiern konnte, zog sich man sich aus dem Motorsport zurück. Man intensivierte die Tuning-Aktivitäten und ging zu Produktion von kompletten Fahrzeugen über. Im Jahr wurde Alpina schließlich offiziell als eigenständiger Automobil Hersteller registriert und setzte weiterhin, und bis heute, auf die Basis von BMW. Herausragend in der Zeit bis 1995 war der B10 Bi-Turbo, der sogar den schnellsten Sportwagen der Welt Konkurrenz machen konnte und auch das B12 5.7 Coupé auf Basis des ersten 8er. Neben dem Text finden sich auch einige Modelle im Bild wieder, wobei man hier durchaus große Abbildungen bevorzugt hat, welches eine gelungene Entscheidung sein sollte. Wer möchte schon gerne einen hohe Anzahl an Bildern präsentiert bekommen, welche dann aufgrund der Größe kaum noch was zu erkennen lassen.
Audi ist der zweite deutsche Hersteller mit dem ersten Buchstaben im Alphabet aus der Zeit und folgt logischerweise auf Alpina. Hier folgt neben der reinen Vorstellung des Hersteller und seiner (Kurz)-Geschichte auch der Blick auf die einzelnen Modelle. Diese werden nach Klasse aufsteigend vorgestellt wobei den Beginn mit dem Audi 80 erfolgt. Im Buch finden sich hier drei Generation des 80 und späteren A4 wieder, welche mit alle ihren Derivaten wie Coupés und Cabriolet knapp 50 Seiten einnehmen. Dies ist auch der bei den Großserien-Herstellern begleitenden, umfassenden Datensammlung geschuldet. Neben der kurzen Vorstellung der einzelnen Generationen und ihren Entwicklungen finden sich auch eine Vielzahl an technischen Daten im Buch wieder, welche einen Großteil aller Daten offenlegen. Dazu ist die Bebilderung auch recht umfangreich und zeigt viele Varianten der Modelle, teilweise lassen auch auch in Deutschland nicht angebotenen Automobile wie der Audi 4000 5+5 Sport für die USA entdecken. Auch lobenswert erwähnen muss man die große Anzahl an zeitgenössischen Aufnahmen, welche nur selten von aktuelleren Fotos unterstützt werden. Auch einige Abwandlungen der Modelle lassen sich vereinzelt entdecken, wie im Falle von Audi zum Beispiel das Audi Coupé GT Cabriolet, welches die USA-Variante des Treser quattro Roadster war und von ASC im Jahr 1985 präsentiert wurde. Umvermeidbar sind auch die Bildunterschriften, welche zumindest das Modell identifizieren und selten auch weitere Informationen liefern. Audi war vermutlich die Marke, welche in den Jahr 1975–1995 die größte Transformation durchlebte, denn man entwickelte sich vom biederen Hersteller zum technisch fortschrittlichen und auch immer höherwertig platzierten Hersteller. Mit dem Audi V8 betrat man schließlich auch im Jahr 1988 die automobile Oberklasse.
Erich Bitter gründete 1971 seine eigene Firma und brachte wenig später mit dem Bitter CD sein erstes eigenes Automobil auf den Markt. Dieses elegante Sportcoupé verband die robuste Technik in Opel mit der Eleganz einer italienischen Karosserie, in diesem Fall von Pietra Frua. Mit 395 Exemplaren war dieses Modell recht erfolgreich und es folgte der SC und später auch noch der Typ 3, der aber schon keine Serienreife mehr erreichen sollte, trotz dessen findet man von diesem auch ein paar technische Daten im Buch wieder.
BMW hatte seine schwersten Jahre hinter sich gebracht und entwickelte sein Profil im Laufe der Jahre konsequent weiter. So war der BMW M3 der Baureihe E30 die Basis für einer der erfolgreichsten Renn-Tourenwagen überhaupt. Auf der anderen Seite brachte man im Jahr 1987 mit dem 750i den ersten V12-Motor nach dem zweiten Weltkrieg auf den Markt an.
Ford eroberte mit dem Fiesta den Kleinwagen-Markt und stärkte mit dem Escort seine Stellungen unter den meistverkauften Modellen in Deutschland.
Auch die umfassenden Modell-Angebot und -Entwicklungen von Mercedes-Benz, Opel und natürlich Volkswagen lassen sich nach und nach im Buch wiederfinden. Während Porsche noch recht konsequent Sportwagen baute und sich mit Isdera und Wiesmann auch echte Traumwagen mit dem dem Siegel „Made in Germany“ wiederfinden.
Fazit: Die zusammenfassende Neuauflage der Chronik des deutsche Automobil-Baus ist ein dicker Brocken. Über 600 Seiten arbeiten 20 Jahre auf und blicken auf die Modelle von sieben Großserien-Hersteller und vier Kleinserien-Herstellern. Dabei gibt es sowohl zur Marke als auch zu den Modellen textlichen Informationen und auch eine große Anzahl an Bildern. Diese sind größtenteils zeitgenössisch und auch im recht großen Format abgebildet. Beides sorgt für einen gelungenen Eindruck auf die Geschichte der deutschen Automobile. Dazu gibt umfangreiche Tabellen mit vielen technischen Daten und – leider sehr selten – Produktionszahlen und Preise. Leider lassen sich im Buch aber eine recht hohe Anzahl an Fehlern entdecken, welche die positive Umsetzung des Buches doch schmälern.
Der Preis von knapp unter 50 Euro ist für ein so umfassendes Buch sicher fair, wenn nicht die hohe Fehlerquote wäre. Einen Blick ins Buch kann man über einen Klick auf den Buchtitel werfen.
Bibliografie:
Titel: Deutsche Autos – 1975-1995
Autoren: Werner Oswald, Eberhard Kittler
Umfang: 608 Seiten, mehr als 800 Bilder
Format: 230 x 265 mm
Bindung: gebunden
Auflage: 12/2019
Preis: 49,90 €
ISBN: 978-3-613-04162-2
Bestellbar beim Verlag unter: www.motorbuch.de
Text: Marco Rassfeld
Fotos: Audi AG, Motorbuch Verlag, Marco Rassfeld
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