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Buch – Pininfarina 90 Years

Einer der bekanntesten und zugleich wohlklingendsten Namen der italienischen Karosserie-Bauer ist Pininfarina. Im Jahr 2020 feierte man schon das neunzigjähirge Bestehen der Firma, die mittlerweile im Besitz von indischen Mischkonzern Mahindra ist. Bei Giorgio Nada Editore erschien passend zum Jubiläum ein neues Buch, welches auf die Modelle der letzten 90 Jahre zurückblickt und somit eine erstaunlich lange Zeit abdecken kann …

Alt und Neu zeigen sich auf dem Titel vereint.

Das Buch kann bei ersten Anblick mit seiner Stärke und Größe überzeugen, denn mit über 500 Seiten ist das Buch nicht weniger als eine massive Chronik. Die Aufmachung des Titels zeigt die großen Unterschiede zwischen den Automobilen vom 1930 und 2020. So zeigt sich das erste Modell von welches von Pinin Farina, wie die Carrozzeria damals noch hieß, eingekleidet wurde, ein Lancia Dilambda. Daneben der Battista, ein Supersportwagen der mit seiner Auslegung als Elekto-Sportwagen mit einer extrem hohen Leistung aufwarten kann und aerodynamisch ausgefeilt daherkommt. Natürlich ist der aktuelle Battista, der auch offiziell als Pininfarina vertrieben wird, deutlich breiter und flacher, als der Lancia. Dieser kann seine Wurzeln der Kutschenaufbauten noch nicht verleugnen und entsprach der damals übliche Möglichkeit der Individualisierung. So boten die Hersteller noch keine kompletten Modelle an, vielmehr kümmerten sie sich um die Technik und überließen die Karosserie-Arbeiten den entsprechenden Firmen. Mit dem 1930 gegründeten neuen Unternehmen stellte sich auch für den Firmengründer Battista „Pinin“ Farina der Erfolg ein, nachdem er die Stabilimenti Farina seines älteren Bruders Giovanni Carlo verlassen hatte. Der Modellname des neuen Supersportwagen ist im übrigen eine passende Hommage an den Firmengründer. Neben den beiden Frontal-Aufnahmen zeigt sich auf dem Titel noch das offizielle Logo von Pininfarina zum 90 jährigen Bestehen und auch eine große 90 mit dem im italienischen „ANNI“ und dem englischen „YEARS“. Sogleich ein Hinweis darauf, dass das Buch in zwei Sprachen realisiert wurde. Das Verlagslogo versteckt sich im Schatten der Fahrzeuge und auf dem Rücken folgt dann ein kurzer Klappentext auf einem im edlen Blauton gehaltenen Fond.

Für viele etablierte Hersteller schuf Pininfarina die passenden Formen …

Das Buch hat einen Schutzumschlag, der auf der vorderen Klappe die Möglichkeit nutzt das abgebildete Modell des Battista auch vollständig zu zeigen. Dazu finden sich auf beiden Klappen auch noch eine kleines Logo von Pininfarina wieder, selbstverständlich erneut in der Jubiläumsform mit einer angehängten 90. Der Vor- wie auch der Nachsatz ist in einem dunklen Blauton gehalten und zeigt viele kleine, betont zurückhaltend platzierte Logos, während ein einzelnes Logo sich in voller Farbigkeit zeigen darf. Ein tolle Darstellung, welche im Sinne der schönen Farben und Formen einen guten Einstieg in das Buch liefern.
Nach dem Aufschlagen folgen zwei Detail-Ansichten mit einem Blinker des Concept Cars Cambiano aus dem Jahr 2012 und einem schlichten Pininfarina-Logo. Beide Motive nutzen das große Format des Buch hier voll aus und sorgen so für einen gelungenen Einstand in das Buch. Es folgt eine Übersicht, in der sich die Ausmaße der 90 jährigen Tradition von Pininfarina offen darlegt. In chronologischer Reihenfolge werden hier 632 Modelle aufgelistet, die durch die italienischen Karosserie-Bauer umgesetzt wurden. Dabei lassen sich auf den ersten Blick viele bedeutende Marken entdecken, wobei zu Anfang der Fokus auf die Italiener lag. So finden sich zunächst vor allem Lancia, Fiat und Alfa Romeo wieder, nur selten unterbrochen von Mercedes, oder Rolls-Royce. Schon wenige Jahre nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Angebot aber deutlich erweitert und verschiedenste Hersteller nahmen die Dienste von Pininfarina in Anspruch. Das Vorwort stammt aus der Feder von Paolo Pininfarina, der als Enkel des Firmengründer auch heute noch an dessen Spitze stehen darf. Geschmückt werden die Seiten wieder rum von großen Detail-Aufnahmen, welche den Battista zeigen.

Auch um die Sicherheit kümmerte man sich und stellte Concept Cars dazu her.

Das Vorwort startet mit einem Blick zurück auf das Jahr 1990, in dem das Unternehmen sein 60 jähriges Jubiläum feierte. Und auch hierzu veröffentlicht man ein Buch, welches schon auf 498 Modelle zurückblicken konnte. Dies war im Prinzip die Basis zum nun neu veröffentlichten Titel, der erweitert werden musste und sich nun auf die Fahrzeuge beschränkt. Entscheidend für den Erfolg von Pininfarina waren natürlich die Automobile, von denen auch im Vorwort schon einige Highlights aufgeführt werden.
Dann startet schließlich die Vorstellung der Modelle für die Pininfarina verantwortlich war. Die Einteilung erfolgt in Dekaden und startet mit den Jahren 1930 bis 1939. Eine doppelseitige Einstiegs-Seite rückt ein Highlight aus dieser Epoche mit einer großen Abbildung schon vorab in dem Mittelpunkt. Leider ist die Qualität der älteren Bilder dabei nicht immer ausreichend und gerade bei größeren Darstellungen kann man immer wieder einige Pixel erkennen. Natürlich ist es aber verständlich, dass gerade besonders alte Aufnahme heute oft nicht mehr im Original vorhanden sind und zur Darstellung der kompletten Modelle auch minderwertiges Material zugegriffen werden muss. In den 1930er waren eine Vielzahl der Modelle noch auf Basis von italienischen Konstruktionen und im Laufe der Dekade kann man aber schnell die Entwicklung der Formen erkennen. Sind zu Beginn die Formen noch sehr kantig mit stehendem Kühlergrill und abgesetzten Kotflügeln, so kann man zu Ende der 1930er schon geneigte Kühlergrill-Konfigurationen entdecken. Auch eine fortschreitende Integration der Kotflügel in die Karosserie-Formen ist schnell zu sehen, auch die zunächst freistehenden Scheinwerfer wurden immer mehr integriert. Mit Alfa Romeo 8C 2900 Cabriolet Aerodinamico aus dem Jahr 1939 zeigte Pininfarina sogar eine aerodynamisch ausgefeilte Form mit Pop-Up-Scheinwerfern.

Neben raren Sportwagen wie einem Testarossa Cabriolet schuf man auch immer wieder Massen-Modelle.

Schon in der folgenden Dekade, welche natürlich durch den verheerenden zweiten Weltkrieg beeinflusst wurde, konnte man ein erstes Modell mit Pontonform vorstellen. Die vollständig in der Karosserie integrierten Kotflügel waren damals vollkommen außergewöhnlich und ein Lancia Aprilia lieferte hierzu das passende Chassis. Das Design bekam immer mehr eine eindeutige Linie und so wurden die Pininfarina-Design schnell unverwechselbar. Durch die vielen Einzelstücken, welche damals noch realisiert wurden, stand hierbei die Marke welche die technische Basis lieferte oftmals im Hintergrund. So gab es immer wieder sehr ähnliche Modelle, die auf unterschiedlichen Marken-Grundlagen aufsetzten. Der Cisitalia 202 aus dem Jahr 1947 gilt bis heute als eines der Highlights aus den ersten Jahren von Pininfarina und zeigt im Buch auch die ersten Farbaufnahmen und das Modell gleich aus mehreren Perspektiven. Generell werden alle Fahrzeuge immer mit einem Bild vorgestellt und in einem kurzen Text wird dieses in italienisch und englisch erläutert. Hierbei bekommt der Leser zudem Informationen wann das Modell präsentiert wurde und auch an welchen Veranstaltungen es erfolgreich teilnahm. Dabei sind die Bilder fast ausnahmslos zeitgenössisch und spiegeln somit auch immer den passenden Geist wieder. Der Cisitalia ist auch heute noch Teil der Automobile, die im New Yorker Museum of Modern Art einen Platz fanden.
In den 1950er nahm dann der Erfolg des Automobils generell immer mehr Fahrt auf. Waren die Fahrzeuge bislang fast immer nur für die oberen Zehntausend relevant, so kamen auch immer mehr erschwingliche Modelle für jedermann auf den Markt. Selbstverständlich sorgte dies zugleich dafür das der Wunsch nach einem besonderen Automobil auch weiter stieg und die Karosseriebauer immer mehr Aufträge erhielten. Auch international waren diese inzwischen gefragt und man kann schnell feststellen, dass sich immer mehr Hersteller unter den Fahrzeugen wiederfinden. So finden sich hier nun englische, amerikanische, deutsche und französische Hersteller wieder, wobei die italienischen zunächst die Oberhand behalten sollte. Einer der wichtigsten Kunden für Pininfarina sollte aber Ferrari werden, für dessen Modelle man lange verantwortlich sein sollte. Im Jahr 1952 startete die Beziehung zwischen Enzo Ferrari und Pinin Farina mit einem 212 Inter Cabriolet und entwickelte sich schnell und gewaltig.

Mit dem Battista stellte Pininfarina einen modernen Supersportwagen her, der sich im Markt beweisen muss.

Die zweite Dekade mit den meisten Modelle folgte unmittelbar im Anschluss mit den 1960er, an dessen Beginn unter anderen der 250 GT Spider California steht. Heute sind diese Modell wohl mit die bekanntesten Oldtimer von Ferrari und erzielen immer wieder Preise in schwindelerregenden Höhen. Dabei ist natürlich auch entscheidend, dass diese Modelle in sehr geringen Stückzahlen realisiert wurden, denn von einer Serienfertigung war man noch weit entfernt. Die Varianten zum 250 GT sind besonders vielfältig und erfüllten jeden möglichen Wunsch der damals schon solventen Kundschaft. Ein Sonderangebot waren die Ferraris schon damals nicht. Immer mehr schuf Pininfarina aber auch Concept Cars, wie den X aus dem Jahr 1960. Hier wurde radikal neu gedacht mit dem Hintergedanken auch neue Kunden zu gewinnen und durch eine hohe Innovationskraft auf sich aufmerksam zu machen. Neben Ferrari waren auch lange Zeit die Modelle von Peugeot oft aus den Hand von Pininfarina, was auch verdeutlicht das man sich auch um die Massen-Mobilität kümmerte. Schön beobachten kann man in dieser Dekade auch die Entwicklung des Designs vom ersten Alfa Romeo Spider, der als Duetto auf dem Markt kam und hier ein voller Erfolg wurde.
Auch in den weiteren Dekaden finden sich viele Highlights aus der Geschichte des Automobils wieder. So zeigen sich in den 1970er der extravagante Ferrari Modulo oder die Studie eines Jaguar als Nachfolger des legendären E-Type. In den 1980er wurde das Design wieder kantiger und Pininfarina schuf Modelle wie den Alfa Romeo 164 oder den extremen Ferrari F40 mit besonders auffälligen Heckflügel.
Es gibt also unglaublich viel zu entdecken und in der Masse der über 600 Modelle wird sicher jeder Leser noch unbekannte Modelle wiederfinden oder seinen persönlichen Liebling. Aktuell glänzt Pininfarina als Hersteller des Elektro-Supersportwagens Battista, der als Modellnamen den Vornamen des Firmengründers nutzt.

Fazit: Ein massives Buch mit allen Modellen aus der neunzigjährigen Geschichte von Pininfarina. Hierbei kann man klassische Automobile ebenso entdecken wie viele moderne Concept Cars, welche den Weg in die Zukunft weisen. Die Vielfalt reicht hier vom Alltags-Automobil bis zum Höchstleistungs-Supersportwagen der jeweiligen Epoche. Die Verbindung zu bestimmten Herstellern kann man dabei immer wieder erkennen und vor allem die Italiener sind massiv vertreten. Doch auch die Entwicklung des Automobils-Design generell kann man mit dem Buch erleben, denn die chronologische Reihenfolge lässt dieses sehr gut zu, Dazu findet man zu jedem Modell ein kurze textliche Beschreibung, welche die Vorstellung abrundet.
Das Buch ist für 90 Euro erhältlich und bietet hierfür einen Blick in die umfangreiche Historie eines der bedeutendsten Karosseriebauers der Welt. So ist der Titel eine beeindruckende Hommage an die italienische Karosserie-Baukunst und ist ein Highlight für alle Automobile-Liebhaber.

Bibliografie:
Titel: Pininfarina 90 Anni / 90 Years
Umfang: 528 Seiten, 515 Schwarz-Weiß- und 304 Farb-Abbildungen
Format: 260 x 285 mm
Bindung: Hardcover mit Schutzumschlag
Auflage: 10/2020
Preis: 90,– €
ISBN-Nr.: 978-88-7911-809-5
Bestellbar beim Verlag unter:
www.giorgionadaeditore.it

Text: Marco Rassfeld
Fotos: Giorgio Nada Editore, Remi Dargegen ©2019 Courtesy of RM Sotheby’s, Marco Rassfeld

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